
Es gibt so Tage im Frühjahr, da hält man es einfach nicht mehr aus als Nachtschmetterlingsmensch im falterarmen „Düsseldorfer Loch“. Da müssen einfach ein paar „ordentliche“ Arten auf den Zettel bzw. die Festplatte, und dabei wird – ist ja schließlich Hobby – auch Zeit und Sprit investiert. Wärmeliebende Spitzenarten will ich sehen, je bunter desto besser.
Also wird eine entsprechende Wetterlage abgepasst, eine möglichst milde Nacht ohne Wind, und dann nichts wie ab an die Mosel. Nach der Umstellung auf die Sommerzeit kann man Ende März dem irrsinnigen Feierabendverkehr rund um Köln halbwegs entgehen, dunkel wird es erst weit nach 20 Uhr, 130 Kilometer An- und Abfahrt, das geht noch gerade so.
Der nächste erreichbare Platz an den Moselhängen liegt in Winningen, das ist ein Möseldörfchen mit zweieinhalbtausend Enwohnern, hier wird seit über 1000 Jahren Weinbau betrieben. Im Wikipedia-Eintrag des Orts heißt der Tourismus noch „Fremdenverkehr“, damit der Fremde Verkehr nicht das beschauliche Dorfleben stört, hat man den gigantischen Felshang der Terassenmosel dort mit einer Autobahnbrücke verziert. Für den Entomologen hat das den Vorteil, dass man quasi einen Lichtfangplatz mit eigener Autobahnabfahrt hat: Der Rastplatz „Moselblick“ an der A61 liegt direkt an der Hangkante, die Aussicht über das Tal ist gigantisch.

Winningen ist zwar ein überschaubar spannendes Dorf, aber ein heißer Streifen für die Tier- und Pflanzenwelt, und deswegen bin ich ja hier! Wenige Meter hinter dem Rastplatz blühen Ende März die Ahornbäume, und nicht irgendwelche, sondern der Französische Ahorn – Acer monspessulanum. Der wissenschaftliche Name verweist auf das Städtchen Montpellier, das auf dem 43 Breitengrad und damit etwa 800 Kilometer entfernt, weit im Süden am Mittelmeer liegt. Der schöne, wärmeliebende Baum hat hier sozusagen das Ende der Fahnenstange erreicht, weiter nördlich als im Raum Koblenz gibt es keine bekannten natürlichen Vorkommen der Art. Aber die Pflanze, die bei Sommerdürre einfach mal die Blätter abwerfen kann, ist ein Gewinner des Klimawandels: A. monspessulanum wird mittlerweile an vielen Stellen als Straßenbaum angepflanzt.
Es dämmert schon, die Leuchtanlage ist in ein paar Minuten aufgebaut, das Notstromaggregat tuckert beruhigend, und dann heißt es warten. Aber nicht allzu lange, denn rasch füllt sich der Leuchtturm mit Faltern, die vom UV-Licht angezogen werden. Kätzcheneulen in Menge, bis auf die wärmeliebende Orthosia miniosa fliegen die alle auch vor meiner Haustüre schon. Ein kleiner Wickler, der wandert erst mal in ein Aufbewahrungsgefäß, bis zum Fototermin. Und dann ist sie plötzlich da, die Königin der Schlehenhecke: Valeria oleagina – Grüne Schmuckeule. Weiter nördlich in Rheinbrohl und im Ahrtal gibt es noch ein paar Nachweise, aber alle liegen schon mehr als 25 Jahre zurück. Auch diese Art sitzt an der Untermosel am „Ende der Fahnenstange“. Oder liegt es nur daran dass Ende März noch keiner der Kollegen zum Lichtfang ausrückt?

Jedenfalls hat sich der Abend gelohnt, vor allem weil nicht nur ein Tier von V. oleagina anfliegt, sondern am Ende ein halbes Dutzend beisammen sind. Die Grünen Edelsteine stehen unter Naturschutz und dürfen natürlich zurück in ihre Schlehenhecke.

Nur eine kleine Flachleibmotte, die ihren Namen nicht verraten will, muss ihr Leben für die Wissenschaft lassen und landet in der Sammelbox.
Der kleine Wickler bekommt noch seinen Fototermin und wird als Phaneta pauperana bestimmt, von dem es in meinem englischen Mikro-Bestimmungsbuch heißt: „flies on warm evenings…Habitat: Coastal cliffs…“. Na das passt, um Mitternacht sind es immer noch 14 Grad am Felsen über dem Fluss, beachtliche 26 Großschmetterlingsarten stehen auf der Liste, und der Fotograf macht sich auf den Weg nach Hause.
Sehr schöner Beitrag, Armin – Gratuliere zum erfolgreichen Leuchten 🙂