Endlich mal wieder Winter! Der Blick aus dem Arbeitszimmer geht über verschneite Schafweiden, die Köder im Garten sind eingefroren, das Auto mit kaputter Heizung in der Werkstatt. Nach einer saukalten Nacht mit zweistelligen Minustemperaturen (-12°C in meinem Garten in Haan) kann ich mich für den Rest der Woche endlich mal mit dem Schmökern bzw. Surfen beschäftigen.
Die Kollegen aus den Niederlanden haben im vergangenen Jahr 2020 mal wieder die Latte für faunistische Beteiligung hochgelegt : 450.000 Nachtfaltermeldungen (nur Makros!) von 697 verschiedenen Arten gab es im Nachbarland. Die Vlinderstichting hat das alles in einem kurzen Bericht zusammengestellt, den man hier anschauen kann. Zum Vergleich: Im Arbeitsgebiet der Rheinisch-Westfälischen Lepidopterologen kamen im Jahr 2020 bisher gut 40.000 gemeldete Einzelbeobachtungen zusammen (inklusive Mikros), und die meisten Daten sind bereits importiert. Die Niederlande haben dabei etwas weniger Einwohner als Nordrhein-Westfalen (17,2 / 17,9 Millionen), und zum Arbeitsgebiet gehören noch der Norden von Rheinland-Pfalz und Teile von Hessen, Niedersachsen und der Norden des Saarlandes.
Fünf neue Arten Makros gab es in NL zu vermelden, einer davon, der Schneeball-Glasflügler, geht immerhin auf das Konto von Heidelandschafts-Urgestein Armin Radtke. Aber auch eine Reihe weiterer Raritäten wurde vermerkt, so zum Beispiel der vierte Nachweis von Polyphaenis sericata aus Limburg. Unfassbar wenn man das bisher bekannte Verbreitungsgebiet anschaut, ich selbst kenne sericata nur von einer Exkursion ins Loreleygebiet. Zu P. sericata gibt es übrigens auch aus Deutschland Nachweise von 2020 aus Frechen, in Niedersachsen ist die Art 2019 sogar bis in den Raum Hannover vorgestoßen. Bleibt abzuwarten ob die Vorkommen die aktuellen Frostperioden unbeschadet überstehen.
Zurück zu den Niederlanden: Wer kein holländisch lesen kann, sollte sich den oben erwähnten Text kopieren und bei Google translate einfügen. Hier mal ein von Google übersetzter Abschnitt der mir besonders gefallen hat:
„Im Herbst wurden drei neue Motten für die Niederlande beobachtet, das kleine gelbe Waisenkind (Catocala nymphagoga), die südliche Eicheneule (Dryobota labecula) und der anmutige Haarwald (Ochropleura leucogaster).“
Wer bisher geglaubt hatte die Bayer AG bzw. der Monheimer Ableger Bayer Crop Science sei ein schöner sauberer Konzern, und hätte sich nur beim Kauf von Monsanto den Satan ins Haus geholt, dem sei die ZDF-Doku „BAYER, Bauern und die Bienen“ von gestern Abend empfohlen.
Die Kollegen vom ZDF haben dort eine bedrückende Konstruktion aus gekauften oder gefälschten oder absichtlich unterdrückten Studien, beeinflussten Wissenschaftlern, direkter Einflußnahme auf die Genehmigungsbehörden, und eine ganze Reihe weiterer Schweinereien aufgedeckt, die ich in dieser Dichte noch nirgends gesehen habe. Aufhänger der Sendung sind die katastrophalen Bienensterben durch die Saatgutbeize mit Neonicotinoiden (Clothianidin / „Poncho“) Anfang des Jahrtausends, und das darauf folgende sogenannte „Bienenmonitoring“.
Wenn man den Recherchen der ZDF-Leute Glauben schenkt, dann wird schnell klar, dass die ganze Abwiegelei der Industrie, unterstützt von Bauernverbänden und Landwirtschaftkammern, Aufsichtsbehörden und nicht zuletzt den Landwirten selbst, einfach nur Gelaber bzw. gezielt gestreute Falschinformationen waren. Der Bericht deckt auf, dass die BAYER-Leute seit den frühen 90er Jahren genau wußten was ihre Substanzen anrichten. Eine der wichtigen Ursachen des Insektensterben ist mit Sicherheit der unverantwortliche Einsatz von Nikotin-Derivaten wie Clothianidin und Imidacloprid, Thiamethoxam, Thiacloprid, Acetamiprid, Dinotefuran und Nitenpyram.
Der „ZDFzoom“ – Bericht ist quasi eine Betriebsanleitung, wie man Einfluß und Druck eines Großkonzerns nutzt um Gifte zu verkaufen, die eigentlich längst hätten verboten werden müssen. So etwas kannten wir bisher vor allem vom ehemaligen US-Konzern Monsanto, dessen rabiate Methoden Legende sind. Monsanto, Spitzname „Monsatan“ ist übrigens von BAYER im Juni 2018 übernommen worden, für schlappe 63 Milliarden US-Dollar (ca. 54 Milliarden Euro). Der belastete Name Monsanto wurde gestrichen, aus Reputationsgründen, wie die Wikipedia schreibt. Die Übernahme war im Übrigen ein Desaster für die Anleger des Leverkusener Chemiekonzerns, der an der Börse – Stand Ende Oktober 2019 – heute nur gut 61 Milliarden Euro wert ist.
Dass der böse Industrieriese BAYER ausgerechnet vor unserer Haustür in Monheim sogenannte „Crop Science“ betreibt, macht es nicht besser. Im Gegenteil muss man das immer im Kopf behalten wenn das angeblich so tolle Steueraufkommen im Kreis erwähnt wird: In Deutschland landet der Kreis Mettmann regelmäßig unter den Top-Ten der Kommunen mit den höchsten Steuereinahmen. Da ist mit Sicherheit auch ein schöner Anteil Giftiges Geld dabei, Monheim gilt übrigens gleichzeitig als „Deutschlands dreisteste Steueroase“ .
Aber genug jetzt vom Geld: Der eigentliche Skandal ist das enge Geflecht von Industruie, Zulassungsbehörde und Aufsicht, zu Lasten der Natur und der Verbraucher. Hier mal ein fix selbst recherchiertes kleines Beispiel dafür, wie man die aktuelle Gesetzeslage mit Behördenhilfe austrickst: Da empfiehlt das ISIP – die Online-Beratung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zur Pflanzenproduktion, noch am 18.03.2019 „Mais – Aktuelle Zulassungssituation der Beizmittel
Spezialbeizen zur Drahtwurmbekämpfung sind in Deutschland nicht zugelassen.
Das Beizmittel Sonido (400 g/l Thiacloprid) ist in Frankreich gegen Drahtwurm im Mais zugelassen. So wie die Gesetzeslage es hergibt, besteht die Möglichkeit, Saatmais mit Sonido-Beize aus Frankreich über den Handel zu beziehen. Die Aussaat des gebeizten Saatgutes ist in Deutschland erlaubt.“
Aha! Eigentlich ist es verboten aber wir sagen Euch wie Ihr das Thiacloprid trotzdem auf den Acker bringt!
Nach dem Anschauen des oben erwähnten Berichts kann man sich ohne Probleme ableiten, warum in der Rheinebene und der angrenzenden Bergischen Heideterrasse mit intensiver Ackerbaunutzung so wenig Insektenleben übrig geblieben ist. Und auch warum Grünlandgebiete fernab der Giftspritzen, zum Beispiel in der Eifel, noch arten- und individuenreich sind. Und den Programmplanern vom ZDF empfehle ich mal im Kalender zu schauen wann Pokal-Fußball läuft, und sich für solche Doku-Kracher mal einen anderen Sendeplatz zu suchen. Oder sollte da Absicht dahinterstecken? 🤔
Jahrelang bin ich durch die Wälder gezogen und habe bei jeder Beobachtung mein Blöckchen gezückt, die jeweils neuen Falter notiert, dabei Dutzende von Kugelschreibern verloren, konnte hinterher mein Gekritzel kaum mehr lesen. Das war so das Standardverfahren, wie es einem die Ornithologen im Studium beigebracht hatten. Die ganz Orthodoxen arbeiteten seinerzeit nur mit Bleistiften, der schreibt auch bei Regen, und wenn das Blöckchen ins Wasser fiel war die Tinte nicht verschmiert. Falter wurden direkt am Licht oder Köder fotografiert, mit der Spiegelreflex-Kamera. Was nicht direkt bestimmbar war musste im Kühlschrank zwischen den Frühstückseiern zwischengehältert werden, bis zum nächsten Fototermin.
Dann wurde alles halbwegs sauber ins Protokollbuch übertragen, von denen habe ich mittlerweile das elfte angefangen, die Bücher stehen sauber aufgereiht im Regal und verlassen das Arbeitszimmer nicht.
Und wenn das alles fertig war dann kam die Dateneingabe, ins Insectis oder zeitweise auch bei naturgucker, das sortieren und bearbeiten der Bilder, ich habe dabei viele Monate am PC verbracht.
Das alles war ein eingespielter unveränderlicher Prozesse, und jetzt ist es damit – vorbei!
Heute rücke ich ganz enspannt zum Lichtfang aus, schaue vorher nur mal schnell ob das Handy geladen ist. Die Falter werden direkt fotografiert und soweit möglich von der Software bestimmt, und nach observation.org hochgeladen. Damit ist auch schon die Dateneingabe erledigt. Das Protokollbuch führe ich nach wie vor, es füllt sich aber quasi verkehrt herum, aus den Listen die vorher schon online stehen.
Ich bin selbst am meisten erstaunt wie schnell sich das neue Arbeiten bei mir durchsetzt, – es ist einfach saumäßig praktisch. Und ein ordentlicher Teil der Kollegen scheint das ganz ähnlich zu sehen, denn die Topliste der Arten bei observation.org füllt sich rasch mit Namen aus dem Bekanntenkreis. Die Möglichkeiten die Beobachtungen quasi in Echtzeit mit denen der Kollegen zu vergleichen gibt zusätzlichen Treibstoff in die Aktivitäten, sei es jetzt das Blaue Ordensband im Wollerscheider Venn oder die Gelbbraune Rindeneule Lithophane socia in unserem Lieblings-Tunnel im Eller Forst.
Ypsolopha vitella, Solingen. Ohligser Heide, 2./.3. September 2019 (Foto: Kai Kruse)
Ganz en passant kann man dann noch die neuen, mit der Artenvielfalt noch ziemlich geforderten Mitstreiter betreuen. Und auch da zeigt sich ein neues Phänomen: Die technischen Möglichkeiten machen vor schwierig zu bestimmenden Artengruppen keinen Halt, was früher bei den „Anfängern“ einfach unter den Tisch fiel („Mikros gucke ich generell keine an„) wird heute einfach fotografiert und offen gelegt, mit erstaunlichen Ergebnissen.
Ein Beispiel von vielen: Von der nebenstehenden Ulmen-SchabenmotteYpsolopha vittella gibt es aus Nordrhein-Westfalen bisher weniger als ein Dutzend Nachweise, einer davon wurde jetzt von Kai Kruse praktisch direkt vor meiner Haustür in der Ohligser Heide gemacht. Das Bild ist übrigens „Geotagged“, d.h. die Kamera lieferte über GPS gleich den Standort mit.
Möglich wird das alles durch die excellente Vorarbeit der holländischen Kollegen, die mit zigtausenden registrierten Benutzern und entsprechender Organisationsstruktur ein in Deutschland unvorstellbare Manpower haben.
Ich erinnere mich noch gut an meine ersten „Zugkärtchen“ auf denen wir nach den winterlichen Bodensee-Exkursionen die spannenden Wasservögel für die „Avifauna Baden-Württembergs“ notiert haben. Das war in den 80ern, lange vor der Erfindung des Mobiltelefons und galt damals als Stand der Technik. Als Aushilfe im Rechenzentrum der Uni Tübingen habe ich noch den Großrechner mit Lochkarten gefüttert, mein erster Computer hatte – seinerzeit eine Revolution – Windows 2.0. Verbreitungskarten der Schmetterlinge wurden zu der Zeit noch mit runden Klebeplättchen hergestellt, oder mit dem gefürchteten Rotring-Stift. Wer eine SOFTCOL-Lizenz für die Erfassung von Verbreitungsdaten hatte, der war schon der König: Für die Lizenz habe ich seinerzeit als Student ein paar hundert Euro zahlen müssen. Heute kartiere ich locker mit meinem Handy auf 10m genau mit Zeitstempel und übertrage alle Daten mit einem Fingertipp in die phantastisch schnelle Online-Datenbank.
Die Frage ob es sich beim Benutzen der Apps für das Kartieren und Bestimmen um einen Hype handelt, oder ob sich die Sache durchsetzen wird, stellt sich meiner Ansicht nach nicht: Seit ich mich mit der Datenerfassung bei Tieren beschäftige ist die Erfassung der Rohdaten beständig genauer geworden, und hat alle neuen technischen Möglichkeiten dankbar aufgenommen.
Die Glasflügler begeistern mich immer wieder, vor allem liegt das an den phantastischen Möglichkeite, die Tierchen mit Pheromonen aus der Deckung zu locken. Hier mal schnell ein Video dass ich am 29. Juli in Haan mit dem iphone geschossen habe. Man sieht darauf ein halbes Dutzend Hornklee-Glasflügler (Bembecia ichneumoniformis), die sich auf ein Pheromonpräparat stürzen (BEIC der pherobank Wageningen) .
Die Erforschung der einheimischen Fauna mit diesen Präparaten geht weiter! Was Bembecia ichneumoniformis betrifft, die Art kann an vielen Stellen nachgewiesen werden an denen gerade der Hornklee blüht. Und es kommen neue Möglichkeiten hinzu: Die Kollegen aus Belgien haben bei einer Exkursion ein Pheromon eingesetzt, mit dem die einschleppte Bananenmotte (Opogona sacchari) angelockt wird. Dabei kam zur allgemeinen Überraschung Sesia bembeciformisan das Präparat, eine Art für die es bisher keinen bekannten Lockstoff gab. Hier die Beobachtung:
Das werden wir natürlich im Sommer 2020 hier im Bergischen ebenfalls versuchen, Zu dem Zweck werden wir wahrscheinlich noch mal eine größere Bestellung von Pheromonen, Lebendfallen etc. starten. in diesem Jahr ist es sehr wahrscheinlich schon zu spät für die Art. Bitte schaut euch den Katalog der pherobank an und meldet Euch bis zum Herbst per Mail und Kontaktformular.
Wir haben übrigens mittlerweile auch eine Whatsapp-Gruppe für den „kleinen Dienstweg“, aktuelle Beobachtungen usw. Wer mitmachen will schickt mir seine Handynummer und bekommt von mir einen Einladungslink für die „Lepidioten“.
Die Technik schreitet rasant voran, und das neueste Spielzeug heißt: Nachtfalter-Bilder bestimmen mit der App von observation.org. Alte Bestimmungshasen runzeln die Stirn, aber entscheidend ist ob es auch funktioniert. Halbwegs anständige Handybilder von den gängigen Mottenarten werden dabei mit der Bilddatenbank von observation abgeglichen, und die Ergebnisse sind, um es vorsichtig zu formulieren, erstaunlich! Ihr könnt es ja mal testen und berichten, die App gibts für mehrere Betriebssysteme in den entsprechenden Shops.
Das ganze geht auch am PC, allerdings muss man dazu vorerst noch auf die „Mutter“-Seite www.waarneming.nl gehen. Dafür bekommt man für ein hochgeladenes Bild dann auch noch eine Wahrscheinlichkeit für die Bestimmung angezeigt, und ein paar weitere Vorschläge was man da geknipst hat. Sitzt der Falter auf einer Blüte, hat das Programm oft – auch wenn das sprachbildlich jetzt kompletter bullshit ist – zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen.
Nur mal kurz zwischenrein, weil es sich beim Kleinen Nachtpfauenauge Saturnia pavonia um unser „Haustier“ handelt, und weil der Entwurf von einer Wuppertaler Designerin entworfen wurde.
Und weil manch einer ja noch „old style“ kommuniziert und nicht per Mail, Whatsapp oder Facebook: Die Deutsche Post verkauft seit Juni 2016 Briefmarken mit einem schönen Nachtfaltermotiv, vielleicht hat der eine oder andere ja Lust sich ein paar von diesen Marken auf Vorrat anzuschaffen
Das kleine Netzwerk der Entomologen in der Region ist ja schon ganz schön dicht. Aber es gibt immer noch Menschen im Niederbergischen, die sich mit Tag- oder Nachtfaltern beschäftigen, und bisher unter unserem Radar durchgeflogen sind. Nun ist hier nicht der Platz um Werbung für Produkte oder Leute zu machen, aber an dieser Stelle mache ich einmal eine Ausnahme: Ich habe selten so schöne Makrofotos gesehen wie die von Andreas Kolossa in Langenfeld! Und passend zur Jahreszeit hier mal ein Shopping-Tipp: Der vom Colouria Verlag produzierte Kalender, „Schmetterlinge auf Wiesen 2018“ wird demnächst auch in meinem Arbeitszimmer hängen. Andreas Kolossa hat einen Tagfaltertranssekt in der Eifel im Raum Blankenheim und ist ansonsten mit Profi-Fotoausrüstung unterwegs auf der Suche nach Naturmotiven. Einen Teil seiner Eifel-Falterdaten habe ich bereits in die „schmetterlinge-nrw.de“ überführen dürfen, und es kommen wahrscheinlich in Zukunft noch ein paar mehr. Dem Kollegen fehlen übrigens noch gute Falterbilder von Cupido argiades, das kommt davon wenn man nur in die Spitzenbiotope der Eifel fährt 🙂 Diese Lücke werden wir 2018 mit einiger Sicherheit „vor der Haustür“ stopfen können.
Nummer 2 unterhalb des Radars ist Johannes Meßer, der dieses Jahr im Landschaftspark Duisburg schon einige Male Lichtfang durchgeführt hat. Meßer ist Vorsitzender des Landschaftsbeirats in Duisburg, und seinen Daten und Belegfotos sind seit neuestem auf www.observation.org zu bewundern. Auch Karola Winzer aus Mülheim hat begonnen ihre Fotos und Schmetterlingsbeobachtungen dort einzugeben.
Bei observation.org landen übrigens in Zukunft auch die meisten Daten der Biostation Westliches Ruhrgebiet. Martin Schlüpmann, in der Biologischen Station zuständig für Herpetofauna, Libellen, Heuschrecken, Gewässerfauna und seit den 1980er Jahren mit Kollegen in Leitung des Arbeitskreises Amphibien und Reptilien NRW, treibt das voran. Die NRW-Arbeitskreise für Heuschrecken, Libellen und Reptilien/Amphibien werden wohl zukünfig ihre Daten über diese Plattform erfassen und pflegen. Die Datenbank zu durchpflügen macht bei so richtig Spaß, denn man stößt immer wieder auf faunistische Highlights, zum Beispiel die Beobachtung vom Hummelschwärmer in Hagen-Hohenlimburg.
Neue internet-basierte Techniken bei den Datenbanken waren auch Thema bei den Vorträgen auf dem Westdeutschen Entomologentag in Düsseldorf. Besonders interessant fand ich den Vortrag von Dominik Jablotschkin über die Suche nach Libellen-Hotspots in Nordrhein-Westfalen, der aus dem Datensalat der Libellen-Experten mit ein bisschen Mathematik einige leckere Karten und Ergkenntnisse herauszauberte. Bei den Libellen ist die Dynamik in der Faunenveränderung ähnlich hoch wie bei den Heuschrecken, ehemals häufige Arten verschwinden und Raritäten werden wiedergefunden.
Der „WET“ ist immer noch eine Plattform für den intensiven Austausch über Insektenkunde. Die altehrwürdige Entomologische Gesellschaft Düsseldorf hatte zum 150. Jubiläum in das renovierte Löbbecke-Museum geladen. Vorsitzender Jürgen Eckl referierte über „150 Jahre EGD. Was können wir aus der schönen Vergangenheit für die bescheidenere Zukunft hoffen“.
LED-Lampe von bioform: handlich aber teuer.
Derartige Bescheidenheit halte ich übrigens für völlig fehl am Platz. Früher war angeblich immer alles besser! Und die Museumszoologie inclusive der sogenannten Fachgesellschaften müssen sich 30 Jahre nach dem Siegeszug des Internets halt auch mal irgendwann wandeln. Wir haben heute in der Region wieder eine ordentliche Menge Beobachter, Fotografen und Datensammler, und die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit sind heute um Lichtjahre besser als vor 150 Jahren.
À propos Licht: Für alle die noch ein wenig Geld auf dem Konto haben zum Schluss noch eine Neuerung, die vielleicht langfristig die Generatoren, Mischlichtlampen und Kabeltrommeln beim Lichtfang ersetzen wird: Eine ursprünglich aus dem Bootsbedarf stammende Lampe mit verschiedenen LED-Spektren war die Hauptattraktion im Entomologie-Shop nahe beim Löbbecke-Museum. Das etwa faustgroße Ding soll angeblich so gut fangen wie die herkömmlichen Anlagen, man spart sich den Generator, Lampen, und alles passt in eine kleine Tasche. Das macht den happigen „Einführungspreis“ von über 500 Euro vielleicht etwas erträglicher. Das Material trotz angeblich Wind und Wetter, bei der zu erwartenden Lebensdauer der LEDs kann man die Anlage an seine hoffentlich noch entomologie-begeisterten Enkelkinder vererben.
In diesem Sinne machen wir dann hier mal so weiter wie bisher: Im meinem Garten sind aktuell noch die drei Wintereulen Eupsilia transversa, Conistra vaccinii und C. rubiginosa am Köder unterwegs. Die ausgebrachten Alsophila-aceraria-Pheromone haben bisher in der Region noch keinen Falter ergeben, die Flugzeit für die im Spätherbst fliegenden Spannerarten hat aber auch gerade erst begonnen.
Vortrag oder Exkursion? Das ist oft die Frage! Ein Vortrag ist eine sichere Sache, die Kundschaft parkt vor dem Haus, sitzt im Trockenen, die Schuhe bleiben sauber, das Ende ist absehbar. Die faunistisch interessanten Plätze der Region sind dagegen oft abgelegen und schlecht erreichbar, Nachtfaltermenschen haben unchristliche Arbeitszeiten, geleuchtet wird bei jedem Wetter: Grund genug dass wir mit unseren Lichtfängen das Publikum oft nicht mehr anlocken können.
Aber mit ein bisschen Glück lassen sich Vortrag und Exkursion sogar verbinden. Und so trafen sich die entomologisch Interessierten des Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertalin der Station Natur und Umwelt in Cronenberg, um den im Frühjahr ausgefallenen Vortrag in verkürzter Form zu wiederholen. Und anschließend ging es noch eine Runde auf halbwegs gesicherten Pfaden durch das Außengelände, zum Licht- und Köderfang.
Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis) Wuppertal-Cronenberg, 10. Oktober 2017 (Foto: Armin Dahl)
Pyramideneule am Köder, Wuppertal-Cronenberg, 10. Oktober 2017 (Foto: Armin Dahl)
Publikum beim Lichtfang. Wuppertal-Cronenberg, 10. Oktober 2017 (Foto: Armin Dahl)
Am Köder: Agrochola circellaris. Wuppertal-Cronenberg, 10. Oktober 2017 (Foto: Armin Dahl)
Herstlaubfarben: Xanthia aurago, Wuppertal-Cronenberg, 10. Oktober 2017 (Foto: Armin Dahl)
Thera cf. britannica, Wuppertal-Cronenberg, 10. Oktober 2017 (Foto: Armin Dahl)
Chloroclysta siterata, Wuppertal-Cronenberg, 10. Oktober 2017 (Foto: Armin Dahl)
Das Wetterglück war dem neuen Format hold, und wir erwischten einen milden Herbstabend mit Windstille und bedecktem Himmel, und der Anflug an den Leuchtturm und die Köderschnüre im Garten der Station war gar nicht mal so schlecht: 14 Nachtfalterarten standen 1 1/2 Stunden nach Einbruch der Dämmerung auf dem Zettel, ganz ordentlich für die zweite Oktober-Dekade, mitten in der Stadt. Darunter der gefürchtete Buchsbamzünsler, der im Jahr 2017 praktisch durchgehend flog, und das Flechtenbärchen Eilema depressa, das offenbar dieses Jahr eine zweite Generation einlegt.
Blieb noch Zeit für ein Experiment: Daß es mir die großen frei zugänglichen Internet-Datenbanken angetan haben, das hat sich ja schon herumgesprochen. Und deshalb findet Ihr auch unter dem folgenden Link die Daten und Falterfotos der Exkursion. Zur Nachahmung empfohlen!
Und hier nch ein kleines Youtube-Video vom darauffolgenden Abend aus meinem eigenen Garten, mit Griposia aprilina
Ein Mann, der im Juni 2015 im Daneway Banks reserve in Gloucestershire und im Collard Hill reserve in Somerset einige Exemplare des Quendel-Ameisenbläulings Maculinea arion (engl. „Great Blue“) gefangen hatte, ist jetzt verurteilt worden. Zu dieser Meldung, die auch durch die Internationale Presse gelaufen ist, kann ich nur sagen: Recht so!
Es ist das erste Mal in England dass eine Verurteilung wegen des Fangs dieser Bläulingsart geschieht. Der Sammler Philipp Cullen hat offenbar gegen alles verstoßen was in England im Artenschutz gilt.
Fang in Gebieten mit Special Scientific Interest
Fang und Handel einer Art die unter absolutem Schutz steht, (6 Arten in England), und das in großem Stil.
Betrug (Die beschlagnahmten Tiere hatten offenbar gefälschte historische Etiketten)
Das gehört sich nicht und jedes Kind in England weiss es. Das arion-Projekt ist in England so bekannt wie man sich das hierzulande nicht vorstellen kann, und es ist eine Unmenge öffentliches Geld des British Wildlife Trust und anderer Stiftungen hineingeflossen.
Neben dem „Great blue“ hatte der Sammler weitere Tiere in seinen Kästen, darunter die in England extrem seltenen und geschützten Arten Siona lineata, Pyropteron chrysidiforme und Melitaea athalia.
Und deshalb ist meines Erachtens nichts daran auszusetzen dass der Kollege dafür eine Freiheitsstrafe bekommt. Schon alleine weil er so dumm war die Tiere bei Ebay zu verkaufen gehört er bestraft. Die Höhe der Strafe wird Anfang April verkündet. Ungewöhnlich an der Sache ist eigentlich nur, dass es mal einen Schmetterlingsfänger und -händler trifft. Hätte der Kollege mit Elfenbein gehandelt, würde niemand darüber ein Wort verlieren.
kurz vor Weihnachten wurde vom Freiburger Entomologischen Arbeitskreis ein Offener Brief zum Thema Insektensterben an den (Grünen) Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann und die Minister Untersteller (Umwelt) und Hauk (Landesforst) verschickt. Aktueller Anlass ist die im Januar 2017 bei der EU-Kommission bevorstehende Prüfung der Wiederzulassung der drei Insektenvernichtungsmittel Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam.
Weitere regionale und überregionale Organisationen haben sich mittlerweile angeschlossen, aber das reicht noch nicht!
Der Rückgang der Insektenpopulationen in weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist eher noch drastischer als aus Baden-Württemberg beschrieben. Ich kann das für beide Gebiete halbwegs beurteilen, weil ich als Daten-Administrator der Webseite „www.schmetterlinge-nrw.de“ tagtäglich mit diesem Thema zu tun habe. Dieser Brief und unser gemeinsames Anliegen wird deshalb auch von mir unterstützt.
Die wichtigsten Forderungen aus dem Brief lauten:
Ein vollständiges und dauerhaftes Verbot der Neonikotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in der Europäischen Union noch vor Beginn der Vegetationszeit 2017.
Die Realisierung und Erweiterung eines breit angelegten Programmes als Maßnahme Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität bzw. gegen das Verschwinden der Insekten.
Die alsbaldige Einführung eines landes-und bundesweiten Langzeit-Monitorings wichtiger Zeigergruppen von Insekten und Insektenfressern.
Unterstützung der Einrichtung eines unabhängigen Forschungszentrums mit der Aufgabe, alle Ursachen für den aktuell zu beobachtenden Rückgang der Insektenpopulationen zu ergründen und Schutzkonzepte zu entwickeln.
Die längerfristige Förderung von Öffentlichkeitsarbeit zur Stärkung des Problembewusstseins über die weitreichenden Konsequenzen des Insektensterbens.
Bitte nehmt Einfluss auf alle die Ihre politischen Möglichkeiten gegen die Wiederzulassung dieser Stoffe einsetzen können. Es muss uns gemeinsam gelingen, die Neonikotinoide aus der Landschaft herauszuhalten!
Distelfalter Vanessa cardui, Erkrath-Neandertal, 2. September 2012 (Foto: Armin Dahl)
Heute sind die meisten Zoologie-Lehrstühle entweder ganz verschwunden oder kleingespart, das Museensterben geht weiter und die Naturschutzbehörden entwickeln sich zu weitgehend kenntnisfreien Zonen. Opa Hoppenstedt, der Weihnachts-Klassiker von Loriot, würde an dieser Stelle sagen „Früher war mehr Lametta“. Und wenn man heute gefragt wird wo denn in der Freilandbiologie so richtig die Musik spielt, dann fällt einem nichts rechtes ein.
Aber es scheint sie doch noch zu geben, die interessanten Lehrstühle und Forschungseinrichtungen. Vor einiger Zeit bin ich durch einen Radiobeitrag über das Park Grass Experiment gestolpert: Seit 1856 (!) untersuchen die Briten am Rothamsted Research Institute in Hertfordshire nördlich von London, wie das Gras wächst. „Nach 2000 Jahren Pflege wird mein Rasen recht annehmbar sein“ sagt der Ureinwohner in „Asterix bei den Briten“. So lange wollen wir nicht warten! Etwa seit der Jahrtausendwende beobachten die Forscher wieder einen deutlichen Anstieg der Biodiversität in den untersuchten Wiesen, was angeblich auf verringerte (Luft-)Stickstoffeinträge zurückzuführen ist. Es besteht also immer noch Hoffnung für die Falter der Wiesen und Weiden!
Rothamsted hat aber noch eine weitere höchst interessante Forschungseinheit, die sich mit der Migration von Insekten beschäftigt: Das Institut für Radar-Ökologie! Eine der Fragen, mit denen man sich dort in den letzten Jahren beschäftigt hat: Was passiert mit alle den schönen Distelfaltern, die jedes Frühjahr nach England einfliegen? Die Antwort ist ein wenig erstaunlich, weil die Beobachter am Boden davon fast nichts mitbekommen: Die „Painted Ladys“ ziehen im Herbst wieder weg, aber nicht wie der Admiral (Vanessa atalanta) dicht am Boden, sondern in Höhen von bis zu 1000 Metern, und sie nutzen gezielt bestimmte Luftströmungen für ihre Wanderung!
Herausbekommen haben das die Engländer mit Faltern, denen eine winzige sogenannte Schottky Barrier Diode aufgeklebt wurde. Die Details sind aber nur etwas für diejenigen die auch in Physik aufgepasst haben. Zusammengefasst lässt sich wohl sagen dass diese kleinen Dinger auf Radarsignale antworten, ohne dass man dem Falter eine Batterie mitgeben muss. Und die Mannschaft in Rothamsted hat ein sogenanntes Harmonisches Radar, mit dem man bis in 1,5 Kilometern Höhe diese Dioden auf Sendung bringen und damit die Falter bis in große Höhen verfolgen kann.
Die Dimensionen der Insektenwanderungen auch ausserhalb der Tropen sind so gewaltig, dass das altehrwürdige Magazin Spektrum passend zu Weihnachten gar von den Himmlischen Heerscharen sprach.
Wer die Details ganz genau nachlesen will (und wer stolze 38 $ für ein .pdf bezahlen will) kann das z.B. in der Wiley Online Library tun. Ansonsten tut es vielleicht erst mal die Zusammenfassung in der Pressemitteilung des UFZ von 2012. Ein paar schöne Bilder zum umsonst angucken finden sich in der Science Photo Library unter dem Stichwort: Trackig Insects by Radar.
Totalüberwachung hat Konjunktur, auch bei den Insekten!
Entomologisch betrachtet ist ein geschlossener Buchen-Hallenwald oder schlimmer noch ein Fichtenforst eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Auf einer schönen Kahlschlagfläche explodiert dagegen geradezu das Leben, und im Gefolge der Pioniervegetation summt und brummt und flattert und piept es ordentlich.
Wenn der Förster keinen neuen Kahlschlag macht, dann geht die „Schlagflur“, die Pflanzengesellschaft welche sich nach dem Abholzen von Baumbeständen entwickelt, rasch verloren. Und mit ihr eine ganze Anzahl von Schmetterlingsarten, die an die entsprechenden Futterpflanzen auf den Schlägen angepasst sind, und gleichzeitig Licht, Sonne und Windstille lieben. Weidenröschen, Brombeeren und Walderdbeeren verschwinden unter dem Pionierwald, und spätestens nach 20 Jahren ist das Klima wieder kühl und gleichmäßig, und die schönen Insekten sind weitgehend weg.
So einfach der Zusammenhang ist, so schwierig ist das dem ahnungslosen Teil der Bevölkerung zu vermitteln: Der Deutsche Wald ist heilig, und wer daran rüttelt erntet verständnisloses Kopfschütteln und ist in Gefahr als Öko-Terrorist beschimpft zu werden.
Und so laufen die entomologisch Aktiven hier zu Lande traurig herum, warten auf den Klimawandel und verbringen die Urlaube in waldarmen Gegenden. Wenn nicht ab und zu ein kräftiger Sturm die Wälder durchrütteln würde, wäre es gar nicht auszuhalten. Aber dann! Egal ob es jetzt der Klimawandel war oder nur ein starker Sturm bei nicht an den Standort angepasster Forstwirtschaft: Die positiven Folgen des Orkans Kyrill auf die einheimische Tierwelt sind unübersehbar! Neun Jahre ist das jetzt schon her, und immer noch kommen Arten zum Vorschein die wir regional schon lange vermisst hatten. Und hier ist der Beleg: Josef Bücker hat im Umfeld der Stadt Hagen in den letzten Jahren eine ganze Reihe schöner seltener Falter aufgestöbert, jetzt ist die Arbeit erschienen: BÜCKER, J. 2016: Bemerkenswerte Funde von Schmetterlingen im Einzugsbereich der Kyrill-Windwurffolgeflächen in Dahl, Eilpe, Haspe und Hohenlimburg; Hohenlimburger Heimatblätter 77, Heft 6/2016, Seite 3-17
Man könnte verrückt werden bei diesem Wetter, seit Wochen sitzen alle in den Startlöchern, der April ist jedoch deutlich kälter als der Januar und faltermäßig geht nichts voran. Pünktlich zum Mai soll´s ja dann besser werden, und dann kann man wieder nicht überall gleichzeitig sein.
Für eine gepflegte Exkursionsplanung in südlichere Gefilde (Rheinland-Pfalz) hier mal noch zwei schnelle Tipps:
Das Geoportal von Rheinland-Pfalz bietet ein extrem komfortables Kartentool mit hoher Auflösung, hier kann man seine Fundorte oder
Exkursionsstrecken sehr schön vor- und nachbereiten. Auf den Karten sieht man auch die Flurstücksgrenzen und kann daran die historische Nutzung vieler Flächen erkennen: Alle schmalen Handtücher an den Hängen waren einmal Weinberge.
Die Grundstücksformen und das ganze kleinteilige Wirtschaften an der Mosel gehen übrigens auf Napoleon Bonaparte zurück und sind eine Errungenschaft des modernen Zivilrechts: Um Großgrundbesitz zu verhindern ordnete Napoleon die „Realteilung“ an. In der Wikipedia kann man die Folgen nachlesen „Aus ökologischer Sicht führte dies zwar zur Entwicklung artenreicher Wiesen- und Heckenbiotope, wirtschaftlich gesehen ist dieser Zustand jedoch zunehmend unhaltbar.“ Die Folgen sind bis in die heutige Zeit zu spüren, an der Mosel ist eine große Zahl von Flurbereinigungsverfahren schon durchgeführt worden oder gerade im Gange.
Aber zurück zum Wetter: Schon öfter sind wir an der Mosel von kuriosem Lokalwetter überrascht worden, sowohl positiv als auch (selten!) negativ. Fast noch besser als der Kartenservice ist deshalb der Online-Wetterservice in RLP. Für eine große Anzahl an Wetterstationen gibt es einen täglichen Mailservice mit Vorhersage, der sehr genau ist.
Momentan ist die Zeit der Dateneingabe und Aufbereitung, und nachdem es draußen wegen Frost mal ausnahmsweise nichts zu tun gibt, hier mal ein kleiner Zwischenstand zur Datenlage: Wir haben in den letzten drei Jahren die Zahl der online über www.schmetterlinge-nrw.de präsentierten Daten mehr als verdoppelt, und das mit tätiger Mithilfe einer ganzen Menge an Leuten aus dem Niederbergischen. Momentan sind knapp 310.000 Zeilen Text in der Exportdatenbank, meine darunter liegende Fundortdatenbank hat mittlerweile mehr als 10.000 Einträge. Die meisten davon mit Meßtischblatt-Angaben und viele davon mit langen Artenlisten und tagesgenauen Falter-Daten. Das macht richtig Spass, und entschädigt ein wenig für die hunderte von Geländestunden mit dreckigen Hosen, tausende von Fahrtkilometern zu nächtlichen Einsätzen, und bedenklichen Schlafmangel in den Sommermonaten. Momentan ist die Region mit einiger Sicherheit eine der best untersuchten in Nordrhein-Westfalen, und das obwohl es hier gar nichts „Gescheites“ zu sehen gibt. Da können sich alle die daran mitgearbeitet haben wenig auf die Schultern klopfen. Und Euch da draußen an den Bildschirmen von dieser Stelle mal ein dickes Dankeschön für beharrlichen Geländeeinsatz und Datenpflege!
So, das muss erst mal reichen für den Moment, jetzt kommen noch ein paar Bemerkungen zu einer wichtigen Leitart für die „guten“ Schmetterlingslebensräume des Niederbergischen: Der Kaisermantel Argynnis paphia ist nicht nur ein wunderschöner Falter, man kann an der Art auch viele Lösungsansätze für den Naturschutz, Biodiversität und die Probleme des Ballungsraums aufzeigen.
Schon seit etlichen Jahren beobachten wir hier in der Region die Populationen vom Kaisermantel, und mittlerweile haben wir eine ganz ordentliche Vorstellung davon, was das Niederbergische angeht. Der Kaisermantel Argynnis paphia liebt sonnige, lichte, windarme Waldränder mit hohem, lange erhaltenen Blütenangebot für die Falter und reichlich Veilchen im Unterwuchs als Raupenfutter. Gezieltes Herstellen und Erhalten solcher Strukturen gibt einem ganzen Zoo weiterer Arten Lebensraum, wo der Kaisermantel fliegt ist die Biodiversität hoch und die Artenliste auch beim Licht- und Köderfang lang.
in den Steinbrüchen im Wuppertaler Raum sind überall Kaisermäntel unterwegs, größere Populationen, die sich über mehrere Jahre nachweisen ließen vor allem in Haan in der gezielt optimierten Grube 10 und dem Steinbruch Osterholz, in Grube 7, aber auch weiter im Osten bis nach Wipperfürth und Hagen.
in der Rheinebene sind die Funde sehr viel spärlicher, aber es gibt immer wieder Nachweise aus Düsseldorf von der Leitungstrasse Hilden/Eller und auch aus dem Stadtgebiet.
Einzelne Falter treiben sich auch dazwischen herum, in trockenen Sommer 2015 auch in meinem Garten vor der Hautür, diese sind aber nicht ortsfest und nur einen oder wenige Tage zu sehen.
Dabei ist nicht so ganz klar ob der Kaisermantel zwischenzeitlich mal ganz weg war oder ob es sich nur um ein Datenloch handelt, das bekanntlich zwischen dem Sammelverbot und der Erfindung der Digitalfotografie existiert. So ist der Kaisermantel 2015 zum Beisiel auch auf der Marscheider Trasse im Osten Wuppertals aufgetaucht, wo wir seit kurzem auch die Schmetterlingsfauna regelmäßig beobachten. Wobei sich nicht belegen lässt ob die Art dort schon länger unterwegs war, oder erst durch die tollen Pflegemaßnahmen zur Förderung der Schlingnatter angelockt wurde.
Schaut man sich das überregional an, dann scheint der Kaisermantel vor allem den Nordwesten zu meiden, man könnte den Eindruck gewinnen, es handelt sich um ein kontinental verbreitetes Tier, das im milden Atlantikum nicht so gute Bedingungen findet.
So weit bisher. Aber jetzt ist endlich mal Zeit zum Schmökern und aufarbeiten von Daten und Literatur, und siehe da: unsere holländischen Nachbarn machen gleiche Erfahrungen. Wie immer haben sie ihre Daten zügig aufgearbeitet und schön präsentiert in der Zeitschrift „Vlinders“, Ausgabe vom November, unter dem Titel: „Niederlande wieder kaiserreich!„. Von wegen der Kaisermantel meidet das atlantische Klima: Direkt an der Küste (im Schaubild Nummer 1-4) sind einige Populationen seit längerem aktiv und pflanzen sich dort anscheinen auch fort.
Die Grafik aus der Zeitschrift „Vlinders“ zeigt die Zunahme von Kaisermantel-Beobachtungen in zehn Gebieten in den Niederlanden. Nummer 1-4 liegen direkt an der Küste. Nummer 10 (Sint Pietersberg) liegt bei Maastricht direkt an der Deutschen Grenze. Originalartikel unter http://www.vlindernet.nl/doc/dvs/pdf/201511_nederland_weer_keizerrijk.pdf
Was geht das mich an? war mein erster Gedanke, als ich vor ein paar Wochen von Kollegen auf das neu geplante Kulturgutschutzgesetz aufmerksam gemacht wurde. Das ist so eine Sache für Ägyptologen oder moderne Maler, und für so was habe ich weder das nötige Kleingeld noch würde ich mir ein Bild von beispielsweise Gerhard Richter an die Wand hängen, einem der bekanntesten Gegner des Gesetzes.
Beim Lesen wurde mir allerdings rasch klar, was für eine Sprengkraft die Sache hat. Damit ich nicht alles neu formulieren muss, hier ein Zitat aus einer Mail von Karin Wolf-Schwenninger , die Kollega ist Präparatorin am Rosenstein-Museum in Stuttgart und dort für Insekten, Bernstein und anderes zuständig und kennt sich mit der Materie bestens aus:
„Das geplante Kulturgutschutzgesetz umfasst nicht allein Kunstsammlungen und archäologische Schätze. Laut Art. 1, Kap. 1, § 2, Abs. 1, Ziff. 9 ist unter „Kulturgut“ jede bewegliche Sache oder Sachgesamtheit von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder aus anderen Bereichen des kulturellen Erbes, insbesondere von paläontologischem, ethnographischem, numismatischem oder wissenschaftlichem Wert zu verstehen.
Tritt das Gesetz in Kraft, würde es auch naturkundliche Objekte wie Fossilien oder Insekten (sofern sie wissenschaftlich bedeutend sind) zum „Kulturgut“ erklären. Solches darf nur mit einer Ausfuhrgenehmigung des Herkunftsstaates nach Deutschland gebracht werden. Es geht dabei nicht nur um neue Funde, das Gesetz gilt rückwirkend bis zu 30 Jahre. Wer beispielsweise in den frühen 1990er Jahren Fossilien oder Insekten gesammelt hat und diese verkaufen oder einem Museum schenken will, müsste künftig Papiere vorweisen, die er meist gar nicht haben kann. Museen sind jedoch auf die Zusammenarbeit mit Sammlern angewiesen (ein großer Anteil der Sammlungszuwächse sind Ankäufe oder Schenkungen von Privatsammlern). Auch der Austausch mit Spezialisten im Ausland wäre extrem erschwert, da der bürokratische Aufwand enorm ansteigen würde.
Was mich betrifft, fallen mir das spontan die vielen hundert Belege aus meiner Landschneckensammlung ein, die ich während und nach dem Studium in Südeuropa gesammelt habe. Die stehen hinter meinem Schreibtisch im Regal und werden irgendwann auch mal im Museum landen. Derartige Sammlungen existieren auch überall bei den entomologisch tätigen Kollegen Und wer einmal einen Blick in die Schmetterlingssammlung des Löbbecke-Museums geworfen hat, weiß dass dort hunderte von Sammlern bisher problemlos ihre Funde integriert und auch bei Bedarf mit den dort vorhandenen Belegen gearbeitet haben. Wie sich das halt so gehört bei großen öffentlichen Sammlungen. Das hat alles bisher auch so funktioniert, ohne viel Schreibkram und dass sich nationale Behörden da eingemischt haben.
Wer sich den Regulierungsentwurf der Bundesregierung komplett ansehen will, findet das 156seitge .pdf unter bundesregierung.de. Und damit das bei einem Entwurf bleibt, habe ich zu allererst mal die Petition unter
unterzeichnet. Und ich bin gespannt ob zu den vorhandenen 35.000 Unterschriften noch weitere 85.000 zusammenkommen, damit das Ganze im Januar dem Petitionsausschuß des Bundestages vorgelegt werden kann. Die bisherige Praxis des Sammelns und der dafür notwendigen Genehmigungen ist schon kurios genug und hat die Naturwissenschaftliche Forschung in den letzten Jahrzehnten mehr behindert als gefördert. Für das alles gilt das Rheinische Grundgesetz Artikel 6:„Kenne mir net, bruche mir net, fott domet.“
Rübenacker und Drainagegraben im Düsseltal bei Haan-Gruiten, 2. Juli 2015 (Foto: Armin Dahl)
Wer Lust hat auf großkalibrige Studien, sollte sich vielleicht mal mit dem Atikel aus der Biological Conservation Volume 187, July 2015: S 41–50 beschäftigen, A cross-taxon analysis of the impact of climate change on abundance trends in central Europe, in dem eine über 20 Personen lange Liste von Autoren mal wieder den Effekten des Klimawandels auf die Tierwelt näherrückt. Nun war ich erstens schlecht in Mathe, und multivariate Statistik war noch nie mein Ding. Ausserdem stehen mal wieder einige Menschen auf der Autorenliste denen man nicht zu nahe treten will, weil man die auf dem nächsten Entomologentreffen wieder zu sehen bekommt.
Fakt ist – was die Schmetterlingen angeht – dass zum wiederholten Mal der Datenbestand des Sächsischen Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie durchgewurstet wurde. Der wurde zwischen 1980 und 2011 erhoben, und das vor allem von ehrenamtlichen Kartierern. Nicht besser, sondern eher noch einen Tick älter sind die Daten für die Vögel, hier wurde die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee ausgebeutet, ebenfalls Ehrenamtler, die ihren Datenbestand zwischen 1980 und 2002 zulieferte.
In dem Artikel wir mal wieder viel herumgerechnet um die „species temperature niche“ verschiedener Arten und Gruppen. Mit den Schlussfolgerungen sind die Autoren ziemlich vorsichtig, als Ergebnis bleibt zum Beispiel „Positive trends […] were seen in 9/11 of the bats, 20/28 butterflies“. Das stand übrigens auch schon in verschiedenen anderen Publikationen. Auf Deutsch: Wenns wärmer wird, gibts mehr Schmetterlinge und viel mehr Fledermäuse.
Was mich an derlei Meta-Studien stört ist die Tatsache, dass die Datenbasis bei genauem Hinsehen schmilzt wie die Gletscher beim Klimawandel. Und dass nach meinem Empfinden es eigentlich eine staatliche Aufgabe wäre, methodisch saubere Daten zu den Populationstrends verschiedener Tier- und meinetwegen auch Pflanzengruppen zu erheben. Und damit hätte man besser vor 10 Jahren angefangen und die Kartierer im Gelände ordentlich dafür bezahlt.Und das Klima-Geld für die Studien an den Exzellenz-Unis wäre in der systematischen Pflege und Entwicklung entsprechender Biotope auch gut untergebracht.
Zusammengefasst: Als Naturschutz-Praktiker ist mir das Ganze ziemlich suspekt, wir wissen doch wo die wahren Probleme liegen: In der Überdüngung auch des letzten Magerstandortes und dem Verschwinden der Nahrungspflanzen, in der Nutzungsaufgabe ertragsarmer Standorte, der Zerstückelung der Lebensräume durch Bauwut und den wahnsinnigen Verkehr, der Lichtverschmutzung, und falscher, möglichst billiger Pflege durch überforderte Verwaltungen. Hinzu kommt eine fast kenntnisfreie Bevölkerung, die einen Brennesselfalter auf dem Sommerflieder schon als Sensation feiert, und ein grüner Umweltminister, der Douglasienaufforstungen im Sauerland für sinnvoll und förderwürdig hält.
Wie kriege ich jetzt die Kurve auf was positives? Ach ja, der Kaisermantel fliegt auch in diesem Jahr wieder zahlreich in Haan in den ehemaligen Steinbrüchen Grube 7 und Grube 10, und den nächsten Termin für den Arbeitseinsatz: Mahd und Abräumen der Orchideenwiese im Klärteich in Haan, Grube 7 findet ihr auf den Webseiten der AGNU Haan.