Archiv für die Kategorie ‘Ökologie

Grüne Fliegende Edelsteine im Frühjahr   1 comment

Acer monspessulanum. Winningen 29. März 2023 (Foto: Armin Dahl

Es gibt so Tage im Frühjahr, da hält man es einfach nicht mehr aus als Nachtschmetterlingsmensch im falterarmen „Düsseldorfer Loch“. Da müssen einfach ein paar „ordentliche“ Arten auf den Zettel bzw. die Festplatte, und dabei wird – ist ja schließlich Hobby – auch Zeit und Sprit investiert. Wärmeliebende Spitzenarten will ich sehen, je bunter desto besser.

Also wird eine entsprechende Wetterlage abgepasst, eine möglichst milde Nacht ohne Wind, und dann nichts wie ab an die Mosel. Nach der Umstellung auf die Sommerzeit kann man Ende März dem irrsinnigen Feierabendverkehr rund um Köln halbwegs entgehen, dunkel wird es erst weit nach 20 Uhr, 130 Kilometer An- und Abfahrt, das geht noch gerade so.

Der nächste erreichbare Platz an den Moselhängen liegt in Winningen, das ist ein Möseldörfchen mit zweieinhalbtausend Enwohnern, hier wird seit über 1000 Jahren Weinbau betrieben. Im Wikipedia-Eintrag des Orts heißt der Tourismus noch „Fremdenverkehr“, damit der Fremde Verkehr nicht das beschauliche Dorfleben stört, hat man den gigantischen Felshang der Terassenmosel dort mit einer Autobahnbrücke verziert. Für den Entomologen hat das den Vorteil, dass man quasi einen Lichtfangplatz mit eigener Autobahnabfahrt hat: Der Rastplatz „Moselblick“ an der A61 liegt direkt an der Hangkante, die Aussicht über das Tal ist gigantisch.

Winningen Blumslay 29. März 2023. Am Oberhang des Moseltals blüht der Französische Ahorn (Foto: Armin Dahl)

Winningen ist zwar ein überschaubar spannendes Dorf, aber ein heißer Streifen für die Tier- und Pflanzenwelt, und deswegen bin ich ja hier! Wenige Meter hinter dem Rastplatz blühen Ende März die Ahornbäume, und nicht irgendwelche, sondern der Französische Ahorn – Acer monspessulanum. Der wissenschaftliche Name verweist auf das Städtchen Montpellier, das auf dem 43 Breitengrad und damit etwa 800 Kilometer entfernt, weit im Süden am Mittelmeer liegt. Der schöne, wärmeliebende Baum hat hier sozusagen das Ende der Fahnenstange erreicht, weiter nördlich als im Raum Koblenz gibt es keine bekannten natürlichen Vorkommen der Art. Aber die Pflanze, die bei Sommerdürre einfach mal die Blätter abwerfen kann, ist ein Gewinner des Klimawandels: A. monspessulanum wird mittlerweile an vielen Stellen als Straßenbaum angepflanzt.

Es dämmert schon, die Leuchtanlage ist in ein paar Minuten aufgebaut, das Notstromaggregat tuckert beruhigend, und dann heißt es warten. Aber nicht allzu lange, denn rasch füllt sich der Leuchtturm mit Faltern, die vom UV-Licht angezogen werden. Kätzcheneulen in Menge, bis auf die wärmeliebende Orthosia miniosa fliegen die alle auch vor meiner Haustüre schon. Ein kleiner Wickler, der wandert erst mal in ein Aufbewahrungsgefäß, bis zum Fototermin. Und dann ist sie plötzlich da, die Königin der Schlehenhecke: Valeria oleagina – Grüne Schmuckeule. Weiter nördlich in Rheinbrohl und im Ahrtal gibt es noch ein paar Nachweise, aber alle liegen schon mehr als 25 Jahre zurück. Auch diese Art sitzt an der Untermosel am „Ende der Fahnenstange“. Oder liegt es nur daran dass Ende März noch keiner der Kollegen zum Lichtfang ausrückt?

Valeria oleagina – Grüne Schmuckeule. Rote Liste Deutschland: stark gefährdet! Winningen, 29. März 2023 (Foto: Armin Dahl)

Jedenfalls hat sich der Abend gelohnt, vor allem weil nicht nur ein Tier von V. oleagina anfliegt, sondern am Ende ein halbes Dutzend beisammen sind. Die Grünen Edelsteine stehen unter Naturschutz und dürfen natürlich zurück in ihre Schlehenhecke.

Phaneta pauperana, Winningen, 29. März 2023. Auch der Graue Rosen-Blattwickler mag es lieber warm.

Nur eine kleine Flachleibmotte, die ihren Namen nicht verraten will, muss ihr Leben für die Wissenschaft lassen und landet in der Sammelbox.

Der kleine Wickler bekommt noch seinen Fototermin und wird als Phaneta pauperana bestimmt, von dem es in meinem englischen Mikro-Bestimmungsbuch heißt: „flies on warm evenings…Habitat: Coastal cliffs…“. Na das passt, um Mitternacht sind es immer noch 14 Grad am Felsen über dem Fluss, beachtliche 26 Großschmetterlingsarten stehen auf der Liste, und der Fotograf macht sich auf den Weg nach Hause.

Veröffentlicht 30. März 2023 von Armin Dahl in Auf Tour, Eulenfalter, Klimawandel, Mikros, Mosel, Phänologie

Getaggt mit

Mottenkiste: „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts…“   1 comment

„… und warum Sie nichts sehen, das werden Sie gleich sehen“. Der Spruch stammt vom legendären Fernseh-Quizmaster Hans-Joachim Kuhlenkampff, aus einer fernen Zeit, als am Samstagabend noch alle vor der Glotze saßen und EWG schauten, und das iphone noch nicht mal angedacht war. Medien-Mottenkiste sozusagen, aber der Spruch fiel mir gestern spontan wieder ein, beim Spaziergang am Unterbacher See im Süden Düsseldorfs.

WhatsApp Image 2023-02-25 at 11.57.48

Nemapogon clematella, Fraßspur an Hasel bzw. Hypoxylon spec.,  Düsseldorf, Unterbacher See 24. Februar 2023 (Foto: Dahl)

Beim ersten hinschauen sah ich nämlich erst mal gar nichts, nur ein paar schwarze Punkte auf einem morschen Haselnussstecken. Also näher ran, und da war sie dann, die Fraßspur der Erlengebüschmotte Nemapogon clematella. Der Kollege mit den Adleraugen hatte sie als erster entdeckt und stieß ein begeistertes „na geht doch!“ aus, übersetzt heißt das so viel wie: Endlich mal wieder eine neue Mottenart auf der Liste! Und eine Art mehr für den Düsseldorfer #Bioblitz.

Eine Echte Motte (Familie Tineidae), aber keine von denen, deren Raupen einem Löcher in die Strickpullover fressen. Nemapogon clematella lebt als Larve unter der Rinde von verpilzten Erlen- und Haselstämmchen, und ernährt sich von Schlauchpilzen der Gattung Hypoxylon. Und zwar lebt sie unter der Rinde, weshalb man erst mal gar nichts sieht, siehe oben. Kot und Holzgenagsel werden aber irgendwie nach draußen geschafft, und das ergibt ganz typische Fraßspuren, aus hellen und dunklen Krümelchen, angeblich unverwechselbar.

Die handelsüblichen Bestimmungs-Apps von observation.org und inaturalist erkennen – Stand Februar 2023 – auf dem Bild erst mal nur die Pilzgattung Hypoxylon, immerhin. Aber das kann sich rasch ändern, wenn Ihr beim Spazierengehen im Spätwinter ein wenig im Gebüsch herumstöbert und nach den Pilzen Ausschau haltet. Und die Spuren mit Fotos meldet, natürlich. Das Tierchen selbst fliegt ab Mai, und wenn man die Spur der Raupe im Frühjahr mit dem Holz eingesammelt hat, kann man sie wahrscheinlich leicht daraus erbrüten.

Aber vorerst sieht man – nichts!

Veröffentlicht 25. Februar 2023 von Armin Dahl in Arten / Listen, Mikros, Phänologie, Raupen

Warum die Insekten sterben oder Streifenmahd nach Düsseldorfer Modell 🙈   4 comments

Düsseldorf, Blick von der Franklinbrücke nach Norden, 4. Juli 2022 (Foto: Armin Dahl)

Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte, deshalb fasse ich mich kurz: Vor einer Woche noch war das eine trockene, herrlich blühende Wiese, für eine Menge Steuergeld angelegt von der Landeshauptstadt, die sich mit Klimamonitoring, Artenvielfalt und einem vorderen Platz beim BioBlitz 2022 brüstet. Ein riesiges Meer von Echtem Labkraut, massig buntes Blütenangebot und darin jede Menge Fluginsekten.

Und jetzt das: Die ganze blühende Oase namens Maurice-Ravel-Park im schicken Stadtteil Pempelfort, auf einen Schlag heruntergef…. bis auf die Strünke. Wer oder was auch immer hier lebte, das befindet sich jetzt in der Kompostieranlage und wurde zur Sicherheit vorher kleingehäckselt.

Es dauert wohl noch eine Weile bis die Teilflächen- oder Streifenmahd, bis das stehenlassen von Altgras- und Refugialstreifen und das restliche kleine Einmaleins des Artenschutzes in den Köpfen der Düsseldorfer Stadtgärtner angekommen sind. So jedenfalls macht man es NICHT.

Vielleicht liegt´s ja am Namen des Parks. Maurice Ravel war als Komponist ziemlich meinungsstark, einige Wutausbrüch sind überliefert, Experimente mit seinen eigenen Werken konnte er überhaupt nicht ab. Als Arturo Toscanini einmal seinen berühmten Bolero aufführte, schrie Ravel im Saal herum: „Ich bin der Komponist!“ und beschimpfte den Dirigenten: „Das Schwein hat zu schnell gespielt, das ist unverzeihlich! Das ist unglaublich! Das Stück ist ruiniert!“.

So etwas ähnliches kam mir heute in den Sinn, als ich auf der Zoobrücke stand und das Desaster ansehen musste. Ich bin zwar nicht der Parkplaner, könnte aber schreien vor Wut und Enttäuschung. Aufräumen und Pflege sind zwei verschiedene Dinge – Gut gemeint ist halt nicht gut gemacht.

Veröffentlicht 4. Juli 2022 von Armin Dahl in Arten / Listen, Ökologie, Insektensterben, Pflege

Besser spät als nie – die Kleine Pappelglucke   3 comments

Poecilocampa populi, Solingen Ohligs, 14. Dezember 2020, Foto: Kai Kruse

Seit Jahren beneide ich im Spätherbst alle möglichen Menschen um mich herum! Jeder findet sie, nur ich nicht! Ausgerechnet bei mir, wo seit vielen Jahren an der Haustür das Licht brennt, wo ständig geleuchtet wird, ausgerechnet da gibts keine Pappelglucken.

Poecilocampa populi macht offenbar einen Bogen um mein Haus, die Gründe sind nicht so klar, es gibt hier Pappel, Eiche, Obstbäume alle Sorten, Birke etc., alles was so als Nahrungspflanze der populi-Raupe genannt wird.

Aber zum verrecken keine Pappelglucken in den vergangenen 15 Jahren, und zwar  im gesamten Meßtischblatt 4708 Hilden. Die letzten Angaben stammen von STAMM (1981), bei  KINKLER et al. (1974) liest man „Überall, insbesondere in den Mischwäldern des Berglandes“.

Von wegen überall! Überall nur hier nicht! Ich gestehe auch dass ich in den vergangenen Jahren mehrfach versucht habe Raupen von populi aufzuziehen, alles vergeblich, Wiederfunde von den eigenen Vermehrungsversuchen gab es keine. (

Aber man muss auch „jönne könne“: 2020 sind etliche Nachweise in der weiteren Umgebung gelungen, so zum Beispiel in den Wäldern im Norden von Düsseldorf.

Und rund um die Ohligser Heide (in „meinem“ Meßtischblatt) gleich an zwei Stellen. Eine davon hat eine besondere Qualität, ist sie doch über Inaturalist erfolgt, das ist sozusagen die kalifornische Variante von observation. Inaturalist ist ein wirklich starkes Tool, die Community weltweit verteilt, vielleicht werft Ihr ja mal einen Blick hinein. Man kann sich zum Beispiel sehr gut mit den Leuten aus der Umgebung vernetzen, und deren Beobachtungen kommen tagesaktuell per Mail, das ist wirklich gut gemacht.

Zurück zur Pappelglucke: Der zweite neuere Nachweis aus dem MTB 4709 erfolgte ebenfalls am Rand der Ohligser Heide (siehe oben), und beide gehören zu den spätesten die überhaupt jemals aus NRW gemeldet wurden, Datum 14. Dezember 2020.

Offenbar verlängert der Klimawandel auch die Flugzeiten der im Herbst aktiven Arten nach hinten raus, auch aus Wuppertal und Hattingen liegen aktuella Funde vor. Letzterer erfolgte sogar noch einen Tag später, vorläufiger Gewinner der diesjährigen Pappelgluckenrallye ist Armin Jagel, der eine erfolgreiche Runde um die Telefonzellen südlich von Hattingen gedreht hat.

Warum die von den Briten „December Moth“ genannte Art hier bei mir nicht vorkommt, das bleibt erst einmal ungeklärt. Vielleicht liegt es doch daran, dass „viele Tiere durch künstliche Lichtquellen aus ihrem Entwicklungshabitat herausgelockt werden„, wie von EBERT (1994) vor mehr als 25 Jahren beschrieben. Aber wahrscheinlich fehlt mir einfach nur die Geduld!

2020 war ein spannendes und verrücktes Jahr, mit zahlreichen Highlights, was die Falter betrifft. Und was die Datenlage angeht haben wir uns nichts vorzuwerfen, die ist TOP! Allen die hier mitlesen wünsche ich einen entspannten Lockdown und wir sehen uns dann hoffentlich im kommenden Jahr!

 


EBERT, G. (1994) Die Schmetterlinge Baden-Württembergs 4: 14. KINKLER, H., W. SCHMITZ, F. NIPPEL & G. SWOBODA (1974): Die Schmetterlinge des Bergischen Landes, II. Teil: Spinner, Schwärmer etc. unter Einbeziehung der Sammlungen des FUHLROTT-Museums in Wuppertal. – Jber. naturwiss. Ver. Wuppertal, 27: 38-80, Wuppertal STAMM, K. (1981): Prodromus der Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens. 229 S., Solingen (Selbstverlag).

Veröffentlicht 16. Dezember 2020 von Armin Dahl in Phänologie, Spinner

Nachtfalteruntersuchungen auf der BUND-Obstwiese in Bochum im Herbst 2020   5 comments

Zucker, Apfelmus und Rotwein

Nach dem ersten gezielten Aufspüren von Nachtfaltern auf der Obstwiese mit dem Leuchtturm (vgl. Nachtleben auf der Naturschutzwiese) wurden ab September die Untersuchungen über drei Monate weitergeführt, nun aber mittels Köder: einem Gemisch aus Zucker, Apfelmus und Rotwein. Dabei macht man sich zu Nutze, dass viele Nachtfalter im Herbst an Baumsäften und überreifen Früchten saugen. Der Köder imitiert so etwas und hat dabei eine sehr große Anziehungskraft, nicht nur auf Nachtfalter. Er wurde regelmäßig auf 15 Obstbaumstämme aufgetragen.

Zusätzlich wurden Köderschnüre aufgehängt und halbe Äpfel auf Zweige der Heckensträucher gespießt, die ebenfalls mit dem Köder bestrichen wurden. Eine Kontrolle fand täglich etwa eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit statt, alle Tiere wurden bestimmt und gezählt. Das Ergebnis ist eindrucksvoll: Insgesamt fanden sich 45 Nachtfalter-Arten ein, es gab 2038 Beobachtungen!

Sechs Wochen lang täglich neue Arten

Von Anfang September bis Mitte Oktober wurden täglich neue Arten am Köder entdeckt, zwölf davon nur jeweils an einem einzigen Tag! Das unterstreicht, wie wichtig die Kontinuität bei solchen Untersuchungen ist. Viele der großen Seltenheiten und gefährdeten Arten waren nur an einem oder wenigen Tagen zu finden. Eine davon ist die bei uns sehr seltene Schmalflügelige Holzeule (Lithophane semibrunnea), die sich nur am 24. September einmal kurz blicken ließ. Sie steht auf der Roten Liste der Schmetterlinge NRWs von 2011 als stark gefährdet (RL 2). Charakteristisch für sie sind die blauen Zeichnungen.

Seltene und gefährdete Arten

Ebenfalls stark gefährdet (RL 2) ist die Ulmen-Gelbeule (Xanthia gilvago), die zweimal zum Köder kam. Auch sie ist bei uns sehr selten und wurde im Jahr 2020 nur wenige Male in NRW gefunden.

In der Kategorie „gefährdet“ (RL 3) werden Schwarzes Ordensband (Mormo maura), Großes Eichenkarmin (Catocala sponsa), Linden-Gelbeule (Tiliacea citrago, s. Foto unten), Olivgrüne Eicheneule (Dryobotodes eremita, s. Foto oben) und Gebüsch-Wintereule (Conistra ligula) geführt. Die beiden Letztgenannten traten auf unserer Wiese sogar an mehr als 10 Tagen auf.

Im Bergischen Land, an dessen Rand die Wiese liegt, ist die Einstufung in die Gefährdungskategorien oft noch höher.

Weitere Arten im Rückgang

Zwei weitere Arten unserer Streuobstwiese weisen landesweit starke Rückgänge auf. Sie werden zwar noch nicht in den Rote-Liste-Kategorien geführt, stehen aber auf der sog. Vorwarnliste. Die gibt an, dass es bei der Erstellung der letzten Roten Liste schlecht aussah für diese Arten und man musste befürchten, dass sie ohne eine Verbesserung ihrer Lebensumstände in eine Gefährdungskategorie rutschen werden. Hierzu gehören das Weiße L (Mythimna l-album) und die Rost-Wintereule (Conistra rubiginea), die sicherlich zu den prächtigsten Eulenfalter gehört, die die Wiese derzeit zu bieten hat.

Häufige Arten

Neben den seltenen und gefährdeten Arten sind auch die häufigen interessant. Sie tauchen jedes Jahr irgendwann auf, sind über einen langen Zeitraum fast täglich zu finden, werden plötzlich weniger und sind dann wieder ganz verschwunden. Die Braune Spätsommer-Bodeneule (Xestia xanthographa) z. B. war von Beginn der Untersuchungen an zu finden, ihre Anzahl steigerte sich enorm, bis am 6. September 109 Exemplare an den Bäumen saßen. Genau einen Monat später suchte die Art dann zum letzten Mal die Wiese auf. Die erwachsenen Falter (Imagines) sterben ab, die Art überwintert als Raupe am Boden.

Herbsteulen

Am 19. September flog mit der Rötlichgelben Herbsteule (Agrochola circellaris) die erste Herbsteule (Gattung Agrochola) auf der Wiese. Sie hatte mit 38 Exemplaren am 22. Oktober ihren Höhepunkt. Die Zahlen nahmen danach wieder deutlich ab, aber selbst Ende November waren immer noch einzelne Exemplare unterwegs, die allerdings schon ziemlich abgeflogen aussahen. Die Herbsteulen überwintern als Ei.

Weitere Herbsteulen der Streuobstwiese sind Mondfleck-Herbsteule (Agrochola lunosa), Dunkelgraue Herbsteule (A. lota) und Gelbbraune Herbsteule (A. macilenta). Auch die beiden letzteren flogen weit in den November hinein, waren insgesamt aber immer viel seltener als die Rötlichgelbe Herbsteule.

Gelbeulen

Ab Ende September traten für einen Monat die Gelbeulen auf den Plan. Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen oft unauffällig bräunlich oder grünlichen Eulenfaltern sind die Gelbeulen auffällige Schönheiten. Ihre Grundfarben in Gelb- und Orangetönen legen nah, dass sie sich dadurch tagsüber sehr gut getarnt unentdeckt im Gebüsch zwischen dem Herbstlaub aufhalten können.

Fünf verschiedene Gelbeulen kommen auf der Wiese vor: Linden-Gelbeule (Tiliacea citrago), Gold-Gelbeule (T. aurago), Bleich-Gelbeule (Xanthia icteritia), Violett-Gelbeule (X. togata) und der bereits oben erwähnte Star der Wiese: die Ulmen-Gelbeule (X. gilvago, s. Foto oben)
Wintereulen

Schon wenige Tage nach der ersten Herbsteule kam am 22. September die erste Wintereule (Gattung Conistra) an den Köder, die Heidelbeer-Wintereule (Conistra vaccinii). Trotz des Namens treten Wintereulen schon im Herbst auf, aber anders als die Herbsteulen überwintern die Tiere als Falter. Und im Winter findet man oft nur noch sie – jedenfalls dann, wenn es nicht zu kalt ist. Die Heidelbeer-Wintereule ist bei uns eine der häufigsten Eulenfalter im Herbst und Winter. Nach ihrem ersten Erscheinen auf der Wiese trat sie fast täglich auf mit einem Höhepunkt am 11. Oktober mit 26 Exemplaren. Auf Heidelbeere ist sie nicht angewiesen, die Raupen fressen an einer Vielzahl von Kräutern und Gehölzen.

Weitere Wintereulen der Wiese sind Gebüsch-Wintereule (C. ligula), Rotkopf-Wintereule (C. erythrocephala), Rost-Wintereule (C. rubiginea, Foto s. oben) und die Schwarzgefleckte Wintereule (C. rubiginosa), die als letzte die Bühne betrat. Auch die Satelliten-Wintereule (Euspilia transversa, s. Foto unten) zählt man im Deutschen zu den Wintereulen, sie gehört aber wissenschaftlich in eine andere Gattung.

Und sonst?

Bei den Besuchern am Köder handelt es sich ganz überwiegend um Eulenfalter (Familien Erebidae & Noctuidae). Auf sie ist der Köder abgestimmt. Zwischendurch saßen aber auch Nachtfalter aus anderen Familien am Köder, wie z. B. Gelbspanner (Opisthograptis luteolata) und Perglanzspanner (Campaea margaritaria). Sie werden nur selten durch Köder angelockt, sondern fliegen eher ans Licht. Außerdem gab es hin und wieder Zünslerarten und einmal die in Vogelnestern lebende Fleischfarbene Nestmotte (Tinea semifulvella). Die skurrilste Gestalt aber war sicherlich das Winterfedergeistchen (Emmlina monodactyla). Tagsüber fand man am Köder gelegentlich den Admiral (Vanessa atalanta).

Natürlich wurden auch Nichtfalter durch den starken Geruch des Köders angelockt, insbesondere Wespen und Hornissen, aber auch bspw. Marienkäfer, Schnecken und Fliegen. In einer Nacht saß sogar eine Waldmaus auf einem Köderapfel und leckte ihn ab.

November – Wenig los bei den Eulen

Im November war am Köder zunehmend weniger los. Neue Arten kamen nicht mehr dazu. Es waren aber doch immer noch mehr zu finden als in Zeiten vor dem Klimawandel.

Die Herbsteulen wurden nun deutlich seltener und tauchten nur noch gelegentlich auf. Die Wintereulen dagegen sterben noch nicht, sondern durchleben als Falter den Winter. Viele von ihnen machen auch keine Winterpause, sondern bleiben der Wiese treu. Den ganzen Winter werden welche an den Köder kommen, mal mehr, mal weniger, wie ihnen gerade zu Mute ist. Wann das der Fall ist, ist für den Menschen schwer zu verstehen.

Im November passiert es seit Beginn der Untersuchungen zum ersten Mal, dass an besonders kalten Abenden kein einziger Falter am Köder zu finden ist.

Frostspanner übernehmen

Die Aufmerksamkeit auf der Wiese ziehen nun Frostspanner auf sich, die aber nicht zum Köder kommen. Sie nehmen als erwachsene Falter gar keine Nahrung mehr auf. Wenn eine bestimmte Temperatur knapp über Null unterschritten wird, schlüpfen sie aus den Puppen im Boden.

Die bei weitem häufigste Art bei uns ist der Kleine Frostpanner (Operophtera brumata), deren Männchen man jetzt in jedem Wald fliegen sehen kann. Oft treten sie zu Hunderten auf. Die Weibchen sehen ganz anders aus als die Männchen. Sie haben keine funktionsfähigen Flügel mehr, krabbeln die Stämme hinauf und warten auf die Männchen, um begattet zu werden. Während man die dunklen Weibchen kaum sieht, flattern die Männchen nach Sonnenuntergang auffällig in großer Anzahl über die Wiese und setzen sich auf Stämme und Zweige. Wenn sie die vom Weibchen abgegeben Lockstoffe (Pheromone) wahrnehmen, nähern sich sich ihnen und paaren sich. Dies kann dauern und währenddessen sind sie besonders gut zu fotografieren. Zu erkennen ist ein Pärchen schon von weitem daran, da die Männchen bei der Paarung – anders als sonst – kopfüber sitzen.

Sehr viel seltener findet man auf der Wiese den deutlich größeren und auffälliger gezeichneten Großen Frostspanner (Erannis defoliaria), von dem bisher nur ein einziges Männchen auf einem Strauch sitzend gefunden wurde.

Auch wenn die Art deutlich seltener ist als der Kleine Frostpanner, gehört sie bei uns doch zu den häufigen Arten und ist in NRW weit verbreitet. Wie die meisten Spanner kann man sie am besten mit Lichtquellen anlocken.

Alle Funde vom Tiere, Pflanzen und Pilzen auf der Wiese findet man übrigens bei nrw.observation.org

(Text: Armin Jagel & Jonas Mittemeyer, ebenfalls veröffentlicht unter www.bund-bochum.de)

Veröffentlicht 28. November 2020 von Armin Jagel in Eulenfalter, Phänologie

Die Dahlsche Heide kommt – aber langsam   Leave a comment

Vor knapp drei Jahren, im Oktober 2017, habe ich mir von der Biostation Solingen einen Hänger voll mit Heidekraut-Placken besorgt, und die auf meine Schafweide gepackt, in Form von zwei kleinen Heidestreifen. Dazu kamen zwei Feldchen mit Sandmagerrasen-Saatgut. Alles für die Katz – oder doch nicht?

Mein Haus und das Grundstück drumherum liegen auf der Bergischen Heideterrasse, der Untergrund besteht aus sehr feinem Sand mit ein wenig Kies, und meine Schafe magern den Boden seit ca. 20 Jahren aus. Sollte man meinen, dort könnte man ohne Probleme einen Sandmagerrasen und ein paar Fleckchen Heidevegetation entwickeln. 

Also hatte ich mir zusätzlich noch zwei Flächen mit Sand-Magerrasen-Mischung von Rieger-Hofmann angesät, das Saatgut war seinerzeit nicht ganz billig, aber es gibt teurere Hobbys als das Anlegen von Wiesen. Dann kam der Frühling und Sommer 2018, und von meinem schönen Heidekraut blieb kein Hälmchen übrig. Im Winter hatte es ein paarmal bei trockenem Wetter knackig gefroren, ab April bis spät in den August herrschte dann außergewöhnliche Dürre.

Das Heidekraut war der Sache nicht gewachsen, die Ansaat ebensowenig. Bis auf ein paar Natternkopf-Pflanzen war im Herbst praktisch nichts mehr zu sehen, außer zwei flachen Gräben und zweihundert Quadratmetern mit fast kahlem Boden. Rausgeschmissenene Zeit und Geld!

Der Sommer 2019 folgte, das war der Hitzesommer, da sah die Schafweide schon im Juni aus wie die ungarische Steppe. Die als Schnellbegrüner im Saatgut eingemischte Bromus-Art stand in wenigen Halmen etwas vreloren herum, von Magerrasen keine Spur. Nur eine einzelne Heidenelke zeigte sich im Spätsommer, mal ganz abgesehen davon daß die Schafe das ganze vorhandene Grünzeug seeeehr gründlich abgeräumt hatten: Hinterm Elektrozaun schmeckts doch immer erheblich besser als davor, und die Schafe wissen eigentlich immer ob ich sie gerade beobachte oder zwei Tage weggefahren bin.  Experiment gescheitert, Mühe umsonst!

Gewöhnlicher Thymian (Thymus pulegioides). und Heidenelke (Dianthus deltoides). Haan, Spörkelnbruch, 21. Juli 2020 (Foto: Armin Dahl)

Dann schoben sich im Herbst 2019 ein paar unscheinbar kleine blaue Kügelchen im Heidestreifen nach oben, und siehe da: Das Berg-Sandglöckchen Jasione montana hatte alle Strapazen überlebt, und blühte ein paar Tage. Kurz danach waren die Schafe doch wieder über den Zaun gesprungen und alles so blank wie zuvor. Mistviecher! Der Metzger hole Euch!

Die Schafe verbrachten den Rest des Jahres und das Frühjahr 2020 auf anderen Flächen, und siehe da: nicht alles war umsonst. Plötzlich steht die Heidenelke mit zahlreichen Pflanzen in Blüte, und der Sand-Thymian hat sich auch entschlossen ein paar kleine rosafarbene Polsterchen auszubilden. Und die Sandglöckchen, wohlgemerkt autochthon aus der Ohligser Heide und unbemerkt mit den Heideplacken eingebracht, färben schon ein paar Quadratmeter blau.

Jasione montana

Jasione montana, Berg-Sandglöckchen. Haan, Spörkelnbruch, 21. Juli 2020 (Foto: Armin Dahl)

Jetzt können sie also kommen, die typpischen Heidebewohner unter den Schmetterlingen! Einzelne Vorposten gab es ja schon im Super-Sommer 2018, zum Beispiel die seltene Eule Eugnorisma glareosa. Und auch die Sache mit dem Heidekraut werde ich noch mal angehen. Merke: Grau ist alle Theorie, die Wiederentwicklung der typische Lebensräume der Bergischen Heideterrasse erfordert in meinem Fall vor allem – Geduld.

Link: Magerrasen-Mischung von Rieger-Hofmann.

Achtung, Regionalsaatgut!

Die Verantwortung für die Ausbringung von Saatgut liegt seit März 2020 beim Anwender. Enthält eine Mischung für die freie Landschaft Arten, die nicht aus dem Vorkommensgebiet stammen (z.B. aus benachbarten Ursprungsgebieten) ist dafür nach §40 BNatschG eine Ausnahmegenehmigung bei den Naturschutzbehörden einzuholen!

 

Veröffentlicht 23. Juli 2020 von Armin Dahl in Ökologie, Lebensräume, Pflege

Flower power in the city: Mehr Insekten, weniger Kosten   Leave a comment

So kann’s gehen: Blühstreifen statt exotischer Gehölze. Quelle: journals.plos.org)

In städtischen Gebieten ist die Schaffung einheimischer Wildblumenwiesen eine Option, um Insekten zu fördern und die Unterhaltungskosten für städtische Grünflächen zu senken. Eine neue Studie der TU Darmstadt zeigt die Auswirkungen der Umwandlung von Pflanzungen am Straßenrand – von exotischen Sträuchern in Wildblumenwiesen.

Die Autoren der Studie untersuchten die Häufigkeit von 13 Arthropodentaxa – u.a. Spinnen,  Heuschrecken, Bienen und Ameisen, Zikaden, Käfer sowie die Änderung der Unterhaltungskosten. Untersuchungsgebiet war Riedstadt im Kreis Groß-Gerau im südlichen Rhein-Main-Gebiet, eine Kleinstadt mit knapp 24.000 Einwohnern

In der Untersuchung wurde der Einfluss des Vegetationstyps (Wiese / Gehölze), des Alters der Wiese, der Größe, des Standorts (Entfernung zur Stadtgrenze) und des Mähregimes bewertet. Untersucht wurde mittels Bodenfallen und Saugproben. Die Anzahl der Arthropoden auf Wiesen war in Bodenfallen um 212% und in Saugproben um 260% höher als in den Gehölzflächen. Die erhöhte Anzahl von Arthropoden auf Wiesen war für die meisten Taxa unabhängig von der Größe und Isolation der Grünflächen. Das Mähregime wirkte sich jedoch stark auf mehrere Insektengruppen aus, wobei die Arthropodendichte im Vergleich von ungemähten zu gemähten Wiesenflecken um 63% zunahmen. Die Kosten für die Pflege von Grünflächen waren auf Wiesen fünfmal niedriger als auf Vergleichsflächen.

Die komplette Studie:
Mody K, Lerch D, Müller A-K, Simons NK, Blüthgen N, Harnisch M (2020) Flower power in the city: Replacing roadside shrubs by wildflower meadows increases insect numbers and reduces maintenance costs. PLoS ONE 15(6): e0234327. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0234327

Eine niederländische Zusammenfassung findet sich im Newsletter „Nature today“ vom 13. Juli 2020

Veröffentlicht 13. Juli 2020 von Armin Dahl in Ökologie, Insektensterben, Lebensräume, mehr Lepis

Mullay TV – die Mosel geht insta!   Leave a comment

Scrreenshot vom Mullay-Hofberg, 14. Mai 2020, mit Rotem Scheckenfalter. © Jannis Melsheimer

Ein Marienkäfer krabbelt herum, eine Schwebfliege, dann eine Rote Mordwanze, eine fette Schnake. Darauf weitet sich der Blick, man sieht einen extrem steilen Weinbergshang, unten die Mosel. Man hört den Schienenbus der Moselweinbahn rattern, im Vordergrund flattert ein Schmetterling auf einer Margerite.

Und zwar nicht irgendein Schmetterling: Der Rote Scheckenfalter Meliaea didyma, eines der Highlights der Moselfauna. Mullay TV, Folge 1, vom 14 Mai 2020, gedreht von Jannis Melsheimer, spielt in dem Weinberg, in dem wir 2014  die unvergessenen „Weinschwärmer“-Exkursion durchgezogen haben. Die 160 Groß- und Kleinschmetterlingsarten von damals stecken mir heute noch in den Knochen, geleuchtet wurde bis zum hellwerden, am Ende war auch der Kaiserbär Epatolmis luctifera auf der Liste.

Auf über 12 Hektar Fläche machen die Melsheimers dort ihren Öko-Wein, nach Demeter-Vorgaben, gespritzt wird so wenig wie möglich. Und nicht nur der Melsheimer-Riesling ist toll, auch die Fauna drumherum. Ich hoffe ihr könnt das hier sehen, Instagram-Videos habe ich noch nie eingebettet. Zur Not müsst ihr eure Kinder fragen, falls vorhanden.

View this post on Instagram

Mullay Tv Episode 01 🐞🦟🐛🕷🐝🦗🐌🐜 This is the first edition of Mullay TV ©. Not only ordinary insects like the ladybug and the long hoverfly call Mullay their home but also other beautiful living organisms. We are extremely proud to share this mountain with them. The highlight of our first episode is the red fritillary which was spotted during the work in our vineyard “Langeberg". ——————————————————————— Mullay TV Folge 01 🐞🦟🐛🕷🐝🦗🐌🐜 Dies ist die erste Ausgabe von Mullay TV ©. Neben gewöhnlicheren Insekten wie dem Marienkäfer und der Langbauchschwebfliege finden auf Mullay die schönsten Lebewesen eine Heimat. Wir sind überaus stolz diesen Berg mit ihnen teilen zu dürfen. Das Highlight der ersten Folge sind die Roten Scheckenfalter, entdeckt beim zweiten Spritzgang diesen Jahres im Langeberg. ————————————————————————🐞🦟🐛🕷🐝🦗🐌🐜 In cooperation with @jannis_melsheimer @paulamelsheimer @rieslingmax @frederikluca @lohnmaeher @h_a_n__n_a_h @thorsten_melsheimer @simon_ghaznawi @mottenfluesterer / www.heidelandschaft.de/ Thank you for keeping mullay alive #moselteiltnatur #mullay #insect #demeter #mosel #melsheimer #moselwine #ecovin #mullayhofberg #organicwinesforfuture #biowein #bioweinbau #ecovinbiowein #liebezumweinberg #biodynamicwine #biohoefe #weingutmelsheimer #bioriesling #naturalwine

A post shared by Weingut Melsheimer (@weingut_melsheimer) on

Veröffentlicht 27. Mai 2020 von Armin Dahl in Ökologie, Mosel, Tagfalter

Hurra! wir leben noch   5 comments


„Wie stark ist der Mensch? Wie stark?
In der Not hilft weder Zorn, noch lamentieren.
Wer aus lauter Wut verzagt und nichts mehr tut,
Der wird verlieren.“

Wenn Tim Laußmann in diesem Blog anfängt, den Papst zu zitieren, dann wirds richtig ernst! Da  möchte ich nicht zurückstehen und empfehle Euch heute die italienische Sängerin Milva, Jahrgang 1939, die  – mal abgesehen von dem eingebetteten Video – seinerzeit mit Mikis Theodorakis und Astor Piazolla  auch wirklich gute Musik gemacht hat.

Wer nichts mehr tut, der wird verlieren: Unter dieses Motto kann man vielleicht die kommenden Wochen stellen, in denen alle Veranstaltungen und Exkursionen wegen der Corona-Epidemie abgesagt sind, und viele von Euch zu Hause sitzen. Die Decke fällt einem auf den Kopf, und draußen ist es auch noch eisekalt, die Schönwetterperiode im März 2020 hat erst mal ein Ende gefunden. Jetzt kommt die politisch völlig unkorrekte, aber auch vom Deutschen Wetterdienst verwendete „Russenpeitsche“ mit arktischer Kaltluft. Zeit also die vielen Bilder zu sortieren, nachzubestimmen, oder sich im Internet ein wenig umzusehen.

Zum Beispiel im Portal observation.org, das mittlerweile für alle Bundesländer eigene Unterseiten hat. So finden sich zum Beispiel in nrw.observation.org über 44.000 Tagfalterbeobachtungen aus Nordrhein-Westfalen. Darunter sind alleine im Frühjahr 2020 über 70! Beobachtungen vom Großen Fuchs, der damit zwischen Emsland und Eifel deutlich häufiger beobachtet wurde als der Kleine Fuchs (13 Beobachtungen).

Woran das liegt kann vorerst niemand sicher erklären, C-Falter, Waldbrettspiel, Landkärtchen hatten alle schon mal schlechte Zeiten mit wenigen Nachweisen, das Kleine Wiesenvögelchen und der Mauerfuchs scheinen sich in der Region gaaanz langsam zu erholen. Der Große Fuchs war jahrzehntelang verschwunden und ist heute wieder zurück, den Scheckenfaltern wie Melitaea cinxia ist das bisher nicht gelungen. Die Vorkommen vom Kleinen Fuchs machen in den vergangenen Jahren starke Häufigkeitsschwankungen durch, jedenfalls in unserer Region. In der Eifel kann das Ganze schon wieder völlig anders aussehen, dort ist der Kleine Fuchs nach meiner Einschätzung stetiger und häufiger – die langfristigen Bestandsschwankungen vieler Tagfalterarten bleiben ein Mysterium.

Zum Abschluss aber noch ein Bild aus Wuppertal, von der Gleisbrache in Vohwinkel, wo vor 16 (!) Jahren am 17. April ein Weibchen von Saturnia pavonia ans Licht kam.. Ziemlich genau drei phänologische Wiochen früher, am 28. März 2020, saß dort wiederum ein Männnchen des Kleinen Nachtpfauenauges in der Pheromonfalle von Armin Radtke.

Veröffentlicht 29. März 2020 von Armin Dahl in Mikros, Phänologie, Spinner, Tagfalter

Danke, Yvonne, für diese Nacht!   4 comments

 

Stilleben mit Leuchtturm und Sandalen, Haan Spörkelnbruch 25 Juli 2019, 06.45 Uhr, 24′ Celsius 

Die Flugaktivität der nachtaktiven „Motten“ ist in tropischen Nächten besonders hoch, die Daten-Erfassung artet in Arbeit aus. Geschlafen wird stattdessen in der Nachmittagshitze.

In Europa purzeln die Temperaturrekorde, eine Schwall Saharaluft, angetrieben von Hochdruckgebiet „Yvonne“, erreicht den Westen Deutschlands. Kein Witz: die heißeste Stadt Deutschlands ist – wenn auch wahrscheinlich nur für einen Tag – das beschauliche Geilenkirchen an der holländischen Grenze. 40,5 Grad heiß war es dort am 24. Juli 2019.

18F71378-E379-4847-A08A-D60ADA3B3E17

Lycophotia porphyraea, verwackelt, aber unverkennbar

Ein Datum das auch mir im Gedächtnis bleiben wird: Die 60-Arten-Makros-Grenze knacke ich in meinem Garten nur sehr selten, aber vergangene Nacht war es dann mal wieder so weit.

Angetrieben von den tropischen Temperaturen scheinen die Motten ihren Aktionsradius zu erweitern, vergangene Woche hat es zudem einmal kurz aber kräftig geregnet, so dass etliche Arten frisch geschlüpft sind.

In solchen Nächten erscheinen dann die dicksten Brocken, Kiefernschwärmer, Weidenbohrer, Grasglucke, zudem kann man in der Nähe des Leuchtturms kaum mehr atmen, dort wuselt ein Heer von kleinen Krabbeltieren herum.

„Beste“ Art in der abgelaufenen Nacht war die an Heidekraut lebende Lycophotia porphyrea, deren nächste Entwicklungslebensräume in Luftlinie etwa 1,5 Kilometer entfernt auf dem Sandberg in Hilden liegen.
Häufigste Art bei den Makros war die hübsch grüne Cryphia algae mit einem Dutzend Tieren, dicht gefolgt vom Eichenprozessionsspinner, der seit zwei Tagen unterwegs ist und mit 10 Tieren ans Licht kam.

EPS

Eichenprozessionsspinner bei der Fortpflanzung. Haan, Spörkelnbruch, 25. Juli 2019 (Foto: Armin Dahl)

62 Arten Großschmetterlinge standen beim Ausschalten der Anlage um halb sechs auf dem Zettel. Etliche davon sind erst nach 03.00 Uhr Morgens angeflogen – 2 1/2 Stunden Schlaf müssen in solchen Nächten mal reichen: wer da nicht wach bleibt ist kein richtiger „moth maniac“.


Kleiner Nachtrag vom 25. Juli: Heute habe ich auf meinem Thermometer (hängt im Kirschbaum im Schatten) 40,4°C gemessen, um 17.00 Uhr.

Veröffentlicht 25. Juli 2019 von Armin Dahl in EPS, Heideterrasse, Klimawandel, Phänologie

Eselswolfsmilch-Glasflügler in Massen   6 comments

Heute kam per Mail eine höchst bemerkenswerte Beobachtung von Willi Wiewel aus Duisburg herein,  die hier ungekürzt wiedergeben wird

habe heute erstmalig in diesem Jahr einen Versuch bei den Glasflüglern unternommen und gleich mit einem Überraschungsergebnis. Ich hatte zwar Fallen und Pheromone dabei, die brauchte ich aber nicht. Die Esels-Wolfsmilch in den linksrheinischen Wiesen in Duisburg-Rheinhausen saß voll mit den kleinen Glasflüglern. Bei etwa 23° C. konnte ich zwischen 15:30 und 17:00 Uhr gar nicht alle zählen, die sich an der Eselswolfsmilch bewegten und auch darauf saßen. Insgesamt bin ich auf ein Ergebnis von 46 Faltern dieser Art gekommen, wobei ich glaube, dass es eher die doppelte Anzahl war.
Ich muss dazu sagen, dass die blühende Euphorbia esula wohl in der Größe mehrerer Fußballfelder dort wächst, unglaublich, habe solche Mengen davon noch nie gesehen. An jedem Fleckchen dort waren auch Falter zu finden.
Zumindest wurde mir bestätigt, dass Ch. tenthrediniformis wohl 14 Tage früher fliegt, als Ch. empiformis. Das werde ich aber noch testen, wenn sich die Gelegenheit bietet.
Diese riesige Wolfsmilch-Fläche hatte ich schon vor einigen Wochen entdeckt. Da kam das gute Wetter heute gerade recht.

Veröffentlicht 18. Mai 2019 von williwiewel2018 in Glasflügler, Lebensräume, Phänologie

Taubenschwänzchen: Überwinterer im Rheinland   3 comments

Unglaubliches: Taubenschwänzchen , 17. Februar 2019, Wuppertal-Hardt, Botanischer Garten (Foto: Elke Jensen)

Unglaubliches: Taubenschwänzchen , 17. Februar 2019, Wuppertal-Hardt, Botanischer Garten (Foto: Elke Jensen)

Wenn es nicht gerade Mitte Februar wäre, dann würde sich bei schönstem Sonnenwetter und Temperaturen über 15°C niemand wundern: In den vergangenen Tagen sind an verschiedensten Stellen der Region Taubenschwänzchen aktiv gewesen, und zwar an Primeln, Hyazinthen und – das gabs noch nie – an Krokus!
Und zwar sowohl in der Innenstadt von Mainz, im klimatisch begünstigten Ahrtal, aber auch mitten in Düsseldorf und sogar in Wuppertal.

Normalerweise fliegen im Niederbergischen die ersten Falter von Macroglossum stellatarum erst im späten Frühjahr ein, Überwinterer fliegen im April an wenigen wirklich heißen Plätzen, wie der Untermosel und im Nahetal.

Taubenschwänzchen am 18. Februar 2019 in Ahrweiler (Foto: Kira Ippendorf)


Im Jahr 2017 allerdings scheint es auch schon sehr früh losgegangen zu sein, Pat Nash hatte den ersten Falter in Düsseldorf-Stockum am 24.03.2017. Im vergangenen Jahr zum Beispiel wurde der erste Falter nach unseren Daten in Hatzenport / Mosel gesichtet, am 21.04.2018.

Damit scheint sich in unserer Region eine Population zu etablieren, die im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr im Herbst abwandert, sondern als Imago überwintert. Das gleiche Phänomen haben wir in den zurückliegenden Jahrzehnten von anderen Tagaktiven Faltern gesehen, so hat der Admiral (Vanessa atalanta) mittlerweile in der Region fest etabliert und überwintert in verschiedenen Stadien.

Man möchte jetzt „Klimawandel“ schreien, aber da ist Vorsicht angebracht: Bereits in den frühen 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die großen Naturschutz-Themen noch „Waldsterben“ und „Ozonloch“ hießen gab es das gleiche Phänomen. „Können Admiral und Taubenschwanz bei uns überwintern?“ fragte seinerzeit Helmut Kinkler (1992) in der Melanargia, und meldete Taubenschwänzchen von Anfang März aus Nassau, und Admirale aus dem Februar.

Veröffentlicht 18. Februar 2019 von Armin Dahl in Klimawandel, Phänologie, Wanderfalter

Winter schon wieder vorbei, hoffentlich   1 comment

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Ich kann mich leider nicht für Winterlandschaften begeistern, bei Frost und Dunkelheit herumzulaufen und ständig den Ofen nachzufeuern finde ich komplett verzchtbar, ich gebs zu: der Klimawandel mit 2 Grad mehr Durchschnittstemperatur flößt mir vorert weit weniger Furcht ein, als es vielleicht angebracht wäre.

Aber das schlimmste ist für dieses Jahr überstanden, die ersten Frühjahrsfalter sind unterwegs, und an den Köderstellen sind eine Menge vom kalten Wetter ausgehungerte Falter unterwegs. Eine kleine Köderrunde im Neandertal brachte heute am Abend knappe 50 Falter und ein paar schlechte Handyfotos. Und auch in unserem „schönsten“ Lichtfangplatz, dem Tunnel unter der A46 im Eller Forst, ist schon wieder Betrieb. Als Beifang: ein schlafender Gartenbaumläufer, der sich auf Augenhöhe in einem kleine Loch an einem Köderbaum verkrochen hatte.

 

 

Veröffentlicht 5. Februar 2019 von Armin Dahl in Eulenfalter, Phänologie, Spanner

Letzte Mohikaner und Minensuche   8 comments

Cupido argiades, Dormagen, Wahler Berg, 30 September 2018. (Foto: Armin Dahl)

Den ersten Kurzschwänzigen Bläuling habe ich in diesem Jahr am 6. Mai gesehen, auf der Wiese vor meinem Wohnzimmer in Haan. Den vorläufig letzten gestern, am 30 September 2018, in einem Ackerrandstreifen am Wahler Berg in Dormagen. Wieviele Generationen der Falter im Supersommer 2018 hinbekommen hat, kann ich zwar nicht abschätzen, aber ich schätze mal eher vier als drei. Das ganze Phänomen der Ausbreitung von Cupido argiades finde ich nach wie vor unfassbar, bedenkt man wie selten der Falter noch in den 90ern in Deutschland war.

Andere Arten kommen da nicht mit, warum zum Teufel profitiert das Kleine Wiesenvögelchen nicht vom Klimawandel? Obwohl ich vor der Haustür die schönste Magerwiese habe, muss ich immer fast bis an den Rhein fahren, wenn ich einen Falter der Art sehen will. C. pamphilus, der mal überall im Grünland häufig war, ist ganz offensichtlich nicht ausbreitungsstark genug, um die paar Kilometer Luftlinie von den Rheindeichen bis nach Haan zu expandieren. Auch C. pamphilus macht mindestens drei Generationen durch, und fliegt aktuell noch auf den rheinnahen Trockenwiesen, wo es noch keinen Reif oder Bodenfrost gab.

Übrigens: Wem langweilig ist, weil draußen nur noch wenige Arten fliegen, oder das Wetter schlecht wird, der kann ja bei den anderen Entwicklungsstadien noch eine Weile weitermachen: Momentan sind zum Beispiel die Minen von Parectopa robiniella zu finden, zumindest in den wärmeren Regionen am Rhein entlang:  Die Art hat ebenfalls eine rasante Ausbreitungsgeschichte hinter sich, hat in diesem Jahr anscheinend die kompletten Niederlande erobert.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Veröffentlicht 1. Oktober 2018 von Armin Dahl in Mikros, Phänologie, Tagfalter

Fransenflügler oder die Physik des Luftplanktons   Leave a comment

Die folgende Pressemitteilung hat zwar nichts mit Schmetterlingen zu tun, ich fands aber trotzdem ganz interessant. Was für die ziemlich abgefahrene Gruppe der Thripse gilt, wird auch für viele andere Kleinschmetterlinge und „Luftplankton“ gelten.

In schwüler Gewitterluft sind sie plötzlich überall: Gewittertierchen. Bildquelle: WetterOnline

Wenn ein Gewitter bevorsteht, tauchen sie plötzlich in Schwärmen auf und landen auf allem, was gerade im Weg ist: Gewittertierchen, in der Fachsprache der Biologen Thripse genannt. Die winzig kleinen schwarzen Insekten sind besonders gut auf heller Kleidung zu sehen und krabbeln auf freien Haustellen. WetterOnline sprach mit dem Biologen Dr. Manfred R. Ulitzka (http://www.thrips-id.com/de/), dem Fachmann auf dem Gebiet der Fransenflügler (Thysanopteren), über die Fähigkeiten dieser winzigen Insekten.

Gewittertierchen sind Schönwetterflieger
In schwüler Gewitterluft sind sie plötzlich überall: Gewittertierchen. Sie sind keine Flugkünstler, denn von sich aus können sie kaum fliegen. Vielmehr nutzen sie die durch sommerliche Thermik ausgelösten Aufwinde, um sich in der Luft zu halten. Sonniges Wetter bei Temperaturen von über 20 Grad lässt die Insekten aufsteigen. An warmen Tagen sind sie dann in großer Anzahl weit verteilt in höheren Luftschichten unterwegs. Wenn sich an einem hochsommerlichen Tag ein Gewitter entwickelt, bekommt man den Eindruck, dass die winzigen Tierchen plötzlich überall sind. Doch warum ist das so?

Was passiert mit den Thripsen, wenn ein Gewitter aufzieht?
Ein sich entwickelndes Gewitter sorgt dafür, dass die Thripse, die sich zuvor bis in eine Höhe von mehreren Kilometern in der Luft verteilen, in die unteren Luftschichten absinken und nah am Boden konzentrieren. Sie versuchen dort zu landen und nutzen jedes Objekt, das sich dazu bietet – auch den Menschen. Die Sichtbarkeit von Gewittertierchen kann also durchaus ein drohendes Gewitter anzeigen. Richtige Gewitterpropheten sind Thripse allerdings kaum, denn sobald wir die kleinen Insekten wahrnehmen, ist die Entwicklung des Gewitters schon im vollen Gange und bereits für jeden offensichtlich.

Woher wissen Thripse, dass ein Gewitter bevorsteht?
Gewitterwürmchen werden durch einen bedeutenden physikalischen Faktor zur Landung gezwungen: Der Veränderung der Feldstärke vor einem Gewitter. Die entstehende Gewittersituation übe durch die elektrische Feldschwankung Einfluss auf das Flugverhalten vieler Tiere aus, erklärt Manfred Ulitzka und bezieht dies auch explizit auf die Thysanopteren. Die genauen Gründe für ihr Verhalten sind wissenschaftlich noch nicht geklärt. „Als Auslöser dieses Verhaltens kommen nach bisherigen Erkenntnissen ausschließlich Änderungen der elektrischen Feldstärke in der Luft in Betracht“, erklärt der Biologe. Bei schönem Wetter beträgt die Feldstärke des „Schönwetterfeldes“ etwa 100 bis 300 Volt/Meter, die Thripse sind in allen Luftschichten bis in große Höhen unterwegs und lassen sich von der Thermik treiben. Entsteht ein Gewitter, so steigt die Feldstärke an und kann Werte von bis zu 50.000 Volt/Meter erreichen, dann drohen Blitz und Donner. Thripse und andere kleine Insekten reagieren mit ihrem Flugverhalten bereits bei deutlich niedrigeren Feldstärken und stellen ihre Flugaktivität spätestens bei einer Feldstärke von 8.000 Volt/Meter komplett ein. Sie legen dann einfach ihre Flügel an und sinken ab. Warum das so ist, konnte jedoch bis heute noch nicht wissenschaftlich geklärt werden.

Warum landen die Tiere dann ausgerechnet auf Menschen?
Helle Farben sind für die Insekten besonders attraktiv. Thripse können jedoch ihr Flugverhalten kaum bestimmen. In erster Linie werden sie vom Wind getragen und können die Flugrichtung durch ihre Flügelstellung nur geringfügig ändern und dies auch nur solange, wie der Wind schwach ist. Thripse landen daher vollkommen zufällig auf Menschen.

Quelle: https://www.wetteronline.de

Veröffentlicht 4. Juli 2018 von Armin Dahl in Arten / Listen, Ökologie

%d Bloggern gefällt das: