Poecilocampa populi, Solingen Ohligs, 14. Dezember 2020, Foto: Kai Kruse
Seit Jahren beneide ich im Spätherbst alle möglichen Menschen um mich herum! Jeder findet sie, nur ich nicht! Ausgerechnet bei mir, wo seit vielen Jahren an der Haustür das Licht brennt, wo ständig geleuchtet wird, ausgerechnet da gibts keine Pappelglucken.
Poecilocampa populi macht offenbar einen Bogen um mein Haus, die Gründe sind nicht so klar, es gibt hier Pappel, Eiche, Obstbäume alle Sorten, Birke etc., alles was so als Nahrungspflanze der populi-Raupe genannt wird.
Aber zum verrecken keine Pappelglucken in den vergangenen 15 Jahren, und zwar im gesamten Meßtischblatt 4708 Hilden. Die letzten Angaben stammen von STAMM (1981), bei KINKLER et al. (1974) liest man „Überall, insbesondere in den Mischwäldern des Berglandes“.
Von wegen überall! Überall nur hier nicht! Ich gestehe auch dass ich in den vergangenen Jahren mehrfach versucht habe Raupen von populi aufzuziehen, alles vergeblich, Wiederfunde von den eigenen Vermehrungsversuchen gab es keine. (
Aber man muss auch „jönne könne“: 2020 sind etliche Nachweise in der weiteren Umgebung gelungen, so zum Beispiel in den Wäldern im Norden von Düsseldorf.
Und rund um die Ohligser Heide (in „meinem“ Meßtischblatt) gleich an zwei Stellen. Eine davon hat eine besondere Qualität, ist sie doch über Inaturalist erfolgt, das ist sozusagen die kalifornische Variante von observation. Inaturalist ist ein wirklich starkes Tool, die Community weltweit verteilt, vielleicht werft Ihr ja mal einen Blick hinein. Man kann sich zum Beispiel sehr gut mit den Leuten aus der Umgebung vernetzen, und deren Beobachtungen kommen tagesaktuell per Mail, das ist wirklich gut gemacht.
Zurück zur Pappelglucke: Der zweite neuere Nachweis aus dem MTB 4709 erfolgte ebenfalls am Rand der Ohligser Heide (siehe oben), und beide gehören zu den spätesten die überhaupt jemals aus NRW gemeldet wurden, Datum 14. Dezember 2020.
Offenbar verlängert der Klimawandel auch die Flugzeiten der im Herbst aktiven Arten nach hinten raus, auch aus Wuppertal und Hattingen liegen aktuella Funde vor. Letzterer erfolgte sogar noch einen Tag später, vorläufiger Gewinner der diesjährigen Pappelgluckenrallye ist Armin Jagel, der eine erfolgreiche Runde um die Telefonzellen südlich von Hattingen gedreht hat.
Warum die von den Briten „December Moth“ genannte Art hier bei mir nicht vorkommt, das bleibt erst einmal ungeklärt. Vielleicht liegt es doch daran, dass „viele Tiere durch künstliche Lichtquellen aus ihrem Entwicklungshabitat herausgelockt werden„, wie von EBERT (1994) vor mehr als 25 Jahren beschrieben. Aber wahrscheinlich fehlt mir einfach nur die Geduld!
2020 war ein spannendes und verrücktes Jahr, mit zahlreichen Highlights, was die Falter betrifft. Und was die Datenlage angeht haben wir uns nichts vorzuwerfen, die ist TOP! Allen die hier mitlesen wünsche ich einen entspannten Lockdown und wir sehen uns dann hoffentlich im kommenden Jahr!
EBERT, G. (1994) Die Schmetterlinge Baden-Württembergs 4: 14.
KINKLER, H., W. SCHMITZ, F. NIPPEL & G. SWOBODA (1974): Die Schmetterlinge des Bergischen Landes, II. Teil: Spinner, Schwärmer etc. unter Einbeziehung der Sammlungen des FUHLROTT-Museums in Wuppertal. – Jber. naturwiss. Ver. Wuppertal, 27: 38-80, Wuppertal
STAMM, K. (1981): Prodromus der Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens. 229 S., Solingen (Selbstverlag).
Manchmal muss man einfach Geduld haben. Im Falle von Nola aerugula sogar ziemlich viel Geduld. Der letzte Nachweis im Gebiet der Bergischen Heideterrasse stammt von 1948, erbracht von Karl Stamm. Eigentlich erstaunlich bei einem Tier, das den Deutschen Namen Birkenmoor-Kleinbärchen trägt. An diesem Lebensraumtyp herrscht hier herum eigentlich kein Mangel.
Aber vielleicht haben wir das kleine Ding auch einfach schon mal bei den vielen Lichtfängen in der Hildener und Ohligser Heide übersehen. Nola aerugula kann man relativ leicht mit einer der vielen Zünslerarten verwechseln.
Nola aerugula (HÜBNER, 1793) – Birkenmoor-Kleinbärchen, Haan, 9. Juli 2020 (Foto: Armin Dahl)
Wie auch immer, die Art ist auch nach 72 Jahren ohne Nachweise noch da, und saß gestern Nacht an meiner Haustürlampe.
Literatur
STAMM, K. (1981): Prodromus der Lepidopteren-Fauna der Rheinlande und Westfalens. 229 Seiten, Solingen
Der April 2020 wird wahrscheinlich in die Geschichte eingehen als Monat mit sehr vielen außergewöhnlichen Beobachtungen
Sei es aufgrund des fantastischen Frühsommer-Wetters oder wegen der hohen Beobachter-Aktivität, bedingt durch die Corona-Pandemie, die die Leute in die Wälder oder in ihre eigenen Gärten treibt.
Gerade mal vier Kilometer Luftlinie trennen meinen Garten vom gestrigen Leuchtplatz in der Ohligser Heide, und man sollte meinen, dass wir die Umgebung in den vergangenen 15 Jahren ausreichend beackert haben. Aber immer wieder wird man von Neufunden überrascht, das ist ja ein Teil des Spaßes bei der Beschäftigung mit den Schmetterlingen und Motten. Die „Großen Brocken“ wie Nagelfleck und Nachtpfauenauge sind immer ein Ereignis. Besonders schön ist es aber, wenn man lebensraumtypische (Heide-)Arten findet, die seit langem nicht mehr beobachtet wurden. Im speziellen Fall mal wieder ein Mikro, Ancylis uncella, zuletzt von Biesenbaum 1969 aus der Region gemeldet.
Hier ein paar Falter vom gestrigen Abend, die Handyfotos sind von mäßiger Qualität, aber die Kamera lag leider zu Hause…
„Wie stark ist der Mensch? Wie stark? In der Not hilft weder Zorn, noch lamentieren. Wer aus lauter Wut verzagt und nichts mehr tut, Der wird verlieren.“
Wenn Tim Laußmann in diesem Blog anfängt, den Papst zu zitieren, dann wirds richtig ernst! Da möchte ich nicht zurückstehen und empfehle Euch heute die italienische Sängerin Milva, Jahrgang 1939, die – mal abgesehen von dem eingebetteten Video – seinerzeit mit Mikis Theodorakis und Astor Piazolla auch wirklich gute Musik gemacht hat.
Wer nichts mehr tut, der wird verlieren: Unter dieses Motto kann man vielleicht die kommenden Wochen stellen, in denen alle Veranstaltungen und Exkursionen wegen der Corona-Epidemie abgesagt sind, und viele von Euch zu Hause sitzen. Die Decke fällt einem auf den Kopf, und draußen ist es auch noch eisekalt, die Schönwetterperiode im März 2020 hat erst mal ein Ende gefunden. Jetzt kommt die politisch völlig unkorrekte, aber auch vom Deutschen Wetterdienst verwendete „Russenpeitsche“ mit arktischer Kaltluft. Zeit also die vielen Bilder zu sortieren, nachzubestimmen, oder sich im Internet ein wenig umzusehen.
Zum Beispiel im Portal observation.org, das mittlerweile für alle Bundesländer eigene Unterseiten hat. So finden sich zum Beispiel in nrw.observation.org über 44.000 Tagfalterbeobachtungen aus Nordrhein-Westfalen. Darunter sind alleine im Frühjahr 2020 über 70! Beobachtungen vom Großen Fuchs, der damit zwischen Emsland und Eifel deutlich häufiger beobachtet wurde als der Kleine Fuchs (13 Beobachtungen).
Woran das liegt kann vorerst niemand sicher erklären, C-Falter, Waldbrettspiel, Landkärtchen hatten alle schon mal schlechte Zeiten mit wenigen Nachweisen, das Kleine Wiesenvögelchen und der Mauerfuchs scheinen sich in der Region gaaanz langsam zu erholen. Der Große Fuchs war jahrzehntelang verschwunden und ist heute wieder zurück, den Scheckenfaltern wie Melitaea cinxia ist das bisher nicht gelungen. Die Vorkommen vom Kleinen Fuchs machen in den vergangenen Jahren starke Häufigkeitsschwankungen durch, jedenfalls in unserer Region. In der Eifel kann das Ganze schon wieder völlig anders aussehen, dort ist der Kleine Fuchs nach meiner Einschätzung stetiger und häufiger – die langfristigen Bestandsschwankungen vieler Tagfalterarten bleiben ein Mysterium.
Zum Abschluss aber noch ein Bild aus Wuppertal, von der Gleisbrache in Vohwinkel, wo vor 16 (!) Jahren am 17. April ein Weibchen von Saturnia pavonia ans Licht kam.. Ziemlich genau drei phänologische Wiochen früher, am 28. März 2020, saß dort wiederum ein Männnchen des Kleinen Nachtpfauenauges in der Pheromonfalle von Armin Radtke.
Kleine Pappelglucke, Wuppertal-Burgholz, Kremershammer, 25 November 2019 (Foto: Armin Dahl)
Die Kleine Pappelglucke ist so ein Mysterium, fast jeder hat sie im Garten, nur ich nicht, im Streifen zwischen Duisburg – Düsseldorf – Langenfeld ist nix davon zu sehen. In der Ebene haben wir schon alle möglichen Leuchtplätze ausprobiert um an das Tierchen zu kommen, ohne Erfolg.
Ein paar Kilometer weiter nach Osten ist das alles kein Problem, im Burgholz westlich von Wuppertal ist Poecilocampa populi ein Massentier, wie ich heute mal wieder festgestellt habe.
Kleine Pappelglucke, Wuppertal-Burgholz, Kremershammer, 25 November 2019 (Foto: Armin Dahl)
16.30 aus dem Haus, im üblichen A 46-Stau Richtung Osten angestellt, um 17.15 an einem Talhang der Wupper die Leuchtanlage aufgestellt, bei warmen 10°C und Nieselregen, 17.30 das erste Tier am Licht, 18.30 insgesamt 21 Männchen an den Leuchtürmen und in der Lichtfalle, um 19.00 Uhr wieder zu Hause, rechtzeitig zum Einkauf vor Ladenschluss. So lobe ich mir das, diese unendlichen Leuchtabende im Sommer muss ich auch nicht immer haben.
Die Gründe, warum das Tierchen auf der Bergischen Heideterrasse nördlich von Leverkusen nicht (mehr) vorkommt sind nicht klar, ein Erklärungsversuch: Zu viel Lichtverschmutzung! Es gibt wirklich wenige Arten die vom Licht derart angezogen werden, und dann ewig wie festgeschraubt an den Lampen sitzen. Dabei lassen sie sich auch – einmal zur Ruhe gekommen – beliebig manipulieren. Und so entstand auch das hier gezeigte Bild, in dem die Falter zusammengesetzt wurden.
Falter, die sich zu lange an Lampen herumtreiben, auch tagsüber dann sitzen bleiben, werden häufig zum Opfer der ortskundigen Meisen. Und so könnte man sich zusammenreimen dass in dicht besiedelten Gebieten die besonders lichtliebenden Arten (wie zum Beispiel auch Macrothylacia rubi) zuerst ausdünnen und dann verschwinden.
Nachdem in den vergangenen Tagen wieder die unsinnigen Spritzaktionen von Straßen.NRW angekündigt wurden, haben wir mal auf den Seiten der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen ein paar Infos zum Umgang mit dem EPS zusammengetragen.
Es kann ja nicht sein, dass die Bevölkerung höchstes Interesse an der Verhinderung des Insektensterbens hat, andererseits entlang der Autobahnen (wo sowieso niemand in Kontakt mit den Tieren kommt) per Hubschrauber die Eichenprozessionsspinner bekämpft werden. Und das ausgerechnet von Leuten, die von ökologischen Zusammenhängen wenig bis keine Ahnung haben.
Das kann man nämlich schon der Pressemitteilung von Straßen-nrw entnehmen, da heißt es zum eingesetzten Bacillus-thuringiensis-Präparat: „Für Menschen, Tiere oder Pflanzen ist dieses Mittel nicht schädlich.“
Das ist natürlich keineswegs so, das Mittel killt im Gegenteil alle Raupen aller Insekten, die damit in Kontakt kommen Und zwar auch die besonders geschützten Arten, die an Eichen leben, wie die einheimischen Ordensbänder u.v. a.
Abrufbar ist die Seite unter www.ag-rh-w-lepidopterologen.de/eps-info/. Diese Infos sind noch ausbaufähig, Tipps, lizenzfreie Bilder etc. werden gerne entgegengenommen!
Fronleichnam ist schon vorbei, und auch die Schmetterlinge scheinen das zu spüren.
Heute habe ich zum ersten Mal ein Nest des Eichen-Prozessionsspinners im Hildener Stadtwald gefunden. Das halbkugelige Gespinst mit den Raupenhäuten hing +/- verlassen an einem Wanderweg in 2m Höhe, offenbar waren die meisten Raupen schon Richtung Verpuppungsplatz davongezogen.. Nur zwei Raupen saßen noch herum, die eine hier im Bild. Manch einen juckt es schon vom hingucken. Toi toi toi, ich habe ein „dickeres Fell“ und konnte sie in Ruhe fotografieren ohne gleich Pickel zu bekommen.
So wie das Tier herumsaß, mit leicht eingezogenem „Buckel“, dauert es nicht mehr lange bis es sich verpuppt. Und das bedeutet, im Jahr 2018 wird es sehr früh losgehen mit der Flugzeit der Falter, die normalerweise erst Mitte juli erscheinen.
Ob die Art im trockenen Frühjahr optimale Bedingungen hatte? Thaumetopoea processionea ist bisher im Kreis Mettmann und auf der gesamten Heideterrasse immer nur in einzelnen Exemplaren am Licht aufgetaucht, und nicht gerade häufig. Und ausserdem muss man ja auch an die armen Schlupfwespen denken, die wollen ja auch was zu tun haben.
Eine ziemlich umfassende Dokumentation über die Wirkweise der Brennhaare und des darin enthaltenen Giftes Thaumetopoein findet sich auf den Seiten des Bundesamts für Naturschutz unter folgendem Link:
Auch in extrem gut untersuchten Gebieten ist man vor Überraschungen nicht gefeit. In manchen Jahren scheinen einzelne Arten oder Gruppen einen regelrechten „Lauf“ zu haben und tauchen auch an Stellen auf, an denen man das nicht vermuten würde.
Ein solches extrem untersuchtes Gebiet liegt an der Stadtgrenze von Leverkusen im Ortsteil Gronenborn. Hier hat einer der Altmeister der Rheinischen Schmetterlingskunde, Helmut Kinkler, jahrzehntelang alles unter die Lupe genommen was kreucht und fleucht, und im Jahr 2012 eine Schmetterlingsliste mit stolzen 469 Arten publiziert. Darunter alleine neun Bärenspinner-Arten. (senex, depresssa, lurideola, sororcula, fuliginosa, lutea, lubricipeda, mendica und caja).
Interessanterweise findet sich dort kein Nachweis von Pelosia muscerda, die ja auf der nördlich anschließenden Heideterrasse ein typisches Teil der Feuchtgebietsfauna und zum Teil sehr häufig nachgewiesen ist. Aus dem gesamten Stadtgebiet von Leverkusen gibt es von der Art nur einen einzigen Nachweis, aus dem Jahr 1974, aus Leverkusen – Steinbüchel. Gronenborn liegt auf etwa 140m NN, dort riecht es schon ein wenig nach Bergischem Land, und vielleicht ist deshalb Pelosia muscerda nicht zu finden. Und die frisch von Süden eingewanderte Eilema caniola, die aktuell schon wieder in den Städten ans Licht fliegt (Mai 2018 z.B. Wuppertal und Dormagen) war zum Zeitpunkt der Publikation im Jahr 2012 einfach noch nicht im Gebiet vorhanden.
Arctia plantaginis, Leverkusen-Gronenborn, 27. Mai 2018 (Foto: Sascha Eilmus)
Arctia plantaginis, Leverkusen-Gronenborn, 27. Mai 2018 (Foto: Sascha Eilmus)
Eine echte Bergland-Art würde man aber in Gronenborn auch nicht unbedingt erwarten. Umso größer die Überraschung des Leverkusener LNU-Aktivisten Sascha Eilmus, der bei einer Exkursion am 27. Mai ein Exemplar vom Wegerichbär Arctia plantaginis (L.) aus einem Spinnennetz gezogen hat. Das ist schon der dritte Nachweis dieses seltenen Bärenspinners aus 2018 in unserer Region, die beiden anderen gelangen in Wuppertal-Marscheid auf der Stromtrasse und in Hagen (Josef Bücker).
Soll man sich über den Klimawandel beklagen? Das trockene und extrem warme Frühjahr 2018 nach dem kalten Winter beschert uns schöne und seltene Falter. Wegerichbär, Spanische Flagge, Schönbär und Co.: Davon können wir ruhig noch ein paar Populationen vertragen !
Und à propos Aktivisten: Die Naturschützer rund um Sascha Eilmus und die LNU Leverkusen haben eine schlaue Idee in die Tat umgesetzt: Mit der Gründung der Offenland Stiftung setzen sie sich für den Erhalt und die Schaffung von Offenlandhabitaten wie Blumenwiesen und Streuobstwiesen mit ihren vielfältigen und bedrohten Pflanzen- und Tierarten in Leverkusen und der Umgebung ein. Ein Modell das es sich vielleicht anzuschauen lohnt, wenn es um Pflege, Finanzierung und Erwerb von wertvollen Grundstücken und Naturschutz abseits der Behördenmühlen geht.
Aaah, noch was vergessen: Was die neue Datenschutzgrundverordnung angeht: Wir machen hier normales Internet-Blogging und sonst nichts. Wer die automatisch versendete Mail bei neuen Beiträgen nicht (mehr) bekommen will kann die einfach abbestellen, entweder über das WordPress-Programm oder direkt an mich per Mail. Ansonsten ist es so dass diese Webseite gerade zum Vernetzen von Menschen mit gleichen Interessen (Schmetterlinge und Naturschutz) ins Leben gerufen wurde und sich an die auch bislang geltenden journalistisch und wissenschaftlich gültigen Regeln hält. Technisch läuft es so ab, dass das Programm bei Besuchern einen sogenannten Cookie setzt, der erkennt wer schon mal da war (damit man zum Beispiel weiß wer schon kommentiert hat und wer geantwortet). Den Cookie kann aber jeder auch in seinem Browser selbst wieder automatisch löschen (Immer-Privat-Surfen Einstellungen). Ansonsten ist das eine Webseite auf der umsonst-Plattform WordPress wie Millionen andere auch. Insofern spare ich mir erst mal eine aufwendige eigene Datenschutz-Grundverordnung. Wir verkaufen nix und verfolgen auch niemand.
Ein Kurztrip von Haan zum Lichtfang an die Mosel ist leider immer eine Herausforderung, Vor allem der folgende Morgen im Büro lässt sich gemeinhin etwas zäh an. Aber der Aufwand lohnt sich!
Der Winter war lang, der Generator stand monatelang unbenutzt herum, und die ganze Lichtfang-Ausrüstung musste dringend mal gelüftet werden. Aber mitten in der Woche? 300 Kilometer Autofahrt und spät in der Nacht zurück? Aber manchmal muss man sich einfach mal einen Ruck geben, und die Wetterprognose mit viel Regen in den kommenden Tagen vor Ostern ist noch übler!
Der Ruck geht dann erst mal am Hilden Kreuz durch das Auto, Stop + Go auf 15 Kilometern bis nach Leverkusen. Na prima, die erste Stunde ist schon herum und es wird schon dämmerig. Also ordentlich auf die Tube gedrückt, die schönen Rastplätze, die normalerweise nach Faltern abgesucht werden, bekommen heute keinen Besuch.Die Temperatur geht schon bedenklich in den Keller, 8 °C in der Eifel, bei klarem Himmel am Nachmittag, das RLP-Radio meldet Bodenfrost für die Nacht, das war anders angekündigt. Aber jetzt gibts kein Zurück mehr!
Die letzten Kilometer Richtung Untermosel sind zurückgelegt, jetzt gilt es noch einen Leuchtplatz zu finden. Und zwar in den neu angelegten Weinbergen in Pommern, über die Lea Jäger auf der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft berichtet hat: Reben-Querterrassen mit Fahrgassen, angrenzend an schlehenreiche Brachen. Da sollte es alles mögliche an Faltern geben. Aber wie das so ist in unbekannten Weinbergslagen, bis man ein ordentliches Plätzchen gefunden hat vergeht Zeit, und es ist schon fast dunkel.
Also schnell die Lebend-Lichtfalle an eine halbwegs erreichbare Stelle bei einer Brachfläche gehängt und weiter. Mittlerweile ist es reichlich frisch und außerdem zieht Kaltluft den Hang hinunter – viel schlechter können die Bedingungen eigentlich nicht werden. An der Kapelle oberhalb des verschlafenen Weindörfchens Pommern finde ich einen halbwegs geschützten Platz hinter einer Buchsbaumhecke, rasch den Leuchtturm aufgebaut, die Köderschnüre in die Hecke verteilt, der Mond steht schon hell am blanken Himmel. Zuhause in Haan könnte man das jetzt komplett vergessen, mangels Anflug.
Aber ich bin nicht im Niederbergischen, sondern an der Mosel! Kaum hängen die Köder, kommen die ersten Falter, angelockt vom billigen Glühwein. Und das in einer Weinlage, in der seit Jahrtausenden bester Riesling wächst! Am Licht finden sich die ersten Geometriden ein, und auch in den Hecken belebt es sich: Obwohl die Schlehen rundherum noch völlig geschlossene Knospen haben, sitzen die Büsche voll mit Männchen des Schlehenheckenspanners Aleucis distinctata, und an der Wand der Kapelle sitzt die erste Buchenmotte (Diurnea fagella). Nach zwei Stunden stehen 15 Großschmetterlingsarten auf dem Zettel, nicht ganz schlecht. So richtig tolle Arten waren heute nicht dabei, das beste war noch die Raupe von Arctia villica, die an der Wand der Kapelle hochkroch. Mittlerweile bin ich aber völlig durchgefrorenen, das Thermometer steht auf 4° C, also Schluß für heute!
Erst auf der Hauptstraße fällt es mir wieder ein: Die Lichtfalle! Also noch mal hoch in die Weinberge, diesmal auf der anderen Seite des Orts. Dort ist es zwar genauso kalt, aber es geht wenigstens kein Wind. Beim ersten Blick in den Trichter der Lichtfalle dann wandelt sich die Laune in Sekundenschnelle. Dieses Tier habe ich überhaupt noch nie gesehen! Eriogaster lanestris wird wegen der frühen Flugzeit zwar wahrscheinlich unterkartiert, aber trotzdem: der letzte Nachweis vom Frühlings-Wollafter von der Untermosel liegt mehr als 30 Jahre zurück. Und im Fangsack dann der eigentliche Anlass für den Kurztrip: Valeria oleagina, die Olivgrüne Schmuckeule, eine weitere Rarität der einheimischen Schmetterlingsfauna.
Im Reich des Roten Scheckenfalters: Quer zum Hang verlaufende Fahrterrassen an der Mosel in Pommern. 26. März 2018 (Foto: Armin Dahl)
Lichtfalle am Weinbergsrand. 26. März 2018 (Foto: Armin Dahl)
Die Kapelle Pommern wird nachts angestrahlt. 26. März 2018 (Foto: Armin Dahl)
Aleucis distinctata fliegt schon vor der Schlehenblüte. 26. März 2018 (Foto: Armin Dahl)
Eriogaster lanestris, Frühlings-Wollafter. 26. März 2018 (Foto: Armin Dahl)
Valeria oleagina, Olivgrüne Schmuckeule. 26. März 2018 (Foto: Armin Dahl)
Theria rupicapraria,Ende März reichlich abgeflogen. 26. März 2018 (Foto: Armin Dahl)
Ende einer Bärenraupe: Parasitische Fliegen senden einen unfreundlichen Ostergruß. Aber auch das ist Artenvielfalt!
Faunistik ist ja möglicherweise ein bescheuertes Hobby, wer sich zudem mit „Motten“ beschäftigt, der muss sich in Deutschland manchen Spott gefallen lassen. Aber drauf gepfiffen: Die zwei Stunden Heimfahrt mitten in der Nacht gehen flott vorbei, und auch am Morgen nach drei Stunden Schlaf schaut mir aus dem Spiegel ein fröhlicher Mottenfänger entgegen.
Nur mal kurz zwischenrein, weil es sich beim Kleinen Nachtpfauenauge Saturnia pavonia um unser „Haustier“ handelt, und weil der Entwurf von einer Wuppertaler Designerin entworfen wurde.
Und weil manch einer ja noch „old style“ kommuniziert und nicht per Mail, Whatsapp oder Facebook: Die Deutsche Post verkauft seit Juni 2016 Briefmarken mit einem schönen Nachtfaltermotiv, vielleicht hat der eine oder andere ja Lust sich ein paar von diesen Marken auf Vorrat anzuschaffen
Labkrautschwärmer, Düsseldorf-Benrath, 1. September 2017 (Foto: Klaus Böhm)
Vom Labkrautschwärmer Hyles gallii berichtet STAMM (1981: 61): Vorkommen nur am Niederrhein auf trockenen Heiden und Dünen, sonst nur sporadisch auftretend. Fangdaten 8. Mai – 10. August. Die ältesten Angaben darin stammen von STOLLWERK (1863), der berichtet von einem ständigen Vorkommen bei Uerdingen. Mehr als 150 Jahre später ist der Falter erfreulicherweise immer noch in der Region zu finden, auch wenn er in der Roten Liste der Niederrheinischen Bucht mit Kategorie „2: stark gefährdet“ geführt wird. In diesem Jahr sind Falter aus zwei verschiedenen Generationen im Gebiet beobachtet worden, eine Kopula am 13. Juni auf dem Zonser Grind in Dormagen, und jetzt am 1. September wieder ein Falter, praktisch in Sichtweite auf der rechten Rheinseite in Düsseldorf-Benrath. Klaus Böhm schreibt dazu: Das Tier habe ich früh Nachmittags aus der niedrigen Vegetation eines Halbtrockenrasen aufgescheucht, er flog rasant ab, eine Weile hin und her, setzte sich wieder ab, bei der Gelegenheit gelangen mir ein paar Fotos. Der Falter flog erneut ab und ich verlor ihn aus den Augen„.
Bei genauer Betrachtung des Fotos sieht man daß der Falter auf Labkraut sitzt: Das sind also die Stellen an denen sich in den nächsten Wochen vielleicht mal die Suche nach den Raupen lohnt. Hyles gallii überwintert nämlich nach der englischen und niederländischen Literatur als Puppe (zum Beispiel in der Neuauflage des WARING & TOWNSEND). Ob die Zeit noch reicht für die komplette 2. Generation oder ob die Falter im nächsten Jahr wieder zuwandern müssen?
Die Holländische Ausgabe von 2006 vermerkt da skeptisch, „waarschijnlijk kann deze soort de natte winters in Nederland en Belgie niet overleven„.
Raupenfunde aus dem Oktober sind jedenfall belegt, nachzuschauen bei observation.org
Wir wünschen den Raupen und uns auf jeden Fall einen goldenen September und Oktober!
Literatur und Links
STAMM, K. (1981): Prodromus der Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens. 229 S., Solingen (Selbstverlag).
STOLLWERCK, F. (1863): Die Lepidopteren-Fauna der Preussischen Rheinlande. Verh.Naturhist.Ver.preuss.Rhl.Westph., N.F. 10 (= 20): 43-248, Bonn
WARING, P, & M. TOWNSEND (2017): Nachtvlinders – de nieuwe veldgids voor Nederland en België. Kosmos Uitgevers, 448 S. ISBN: 9789021564470
„Geleuchtet wird bei jedem Wetter!“ Im Vorfeld gab es Bedenken ob angesichts der Wetterlage der Leuchtabend im Ludwigstal in Hattingen überhaupt zu Stande kommt. Aber der Einsatz hat sich gelohnt.
Bedeckter Himmel, ein wenig Nieselregen, aber hohe Nachttemperaturen Was den Laien als wenig verlockend für entomologische Aktivitäten erscheint, das freut die Lichtfangtruppe. Ausserdem ist es immer spannend mal ein neues Gebiet zu untersuchen, so auch in der sogenannten „Ökozelle“ im Süden von Hattingen.
Auf NABU-Einladung durften wir uns dort einen schönen Abend machen, und was für einen! Über 90 Großschmetterlingsarten an einem Leuchtabend, das passiert wir in der Region nicht allzu oft. Und das obwohl ein wenig Wasser von oben kam. Die Ökozelle am Schlangenbusch in Hattingen, im Prinzip nichts weiter als eine von Gehölzen umgebene Obstwiese mit einem angrenzenden Regenrückhaltebecken, ist damit faltertechnisch einer der besser untersuchten Plätze in der Region. Und beim Blick auf das Lichtfang-Protokoll vom 24. Juni 2017 fallen vor allem die extrem vielen Kleinschmetterlingsarten auf.
Sphinx Ligustri, Hattingen, 24. Juni 2017 (Foto: Gaby Schulemann-Maier)
Aber auch bei den „Makros“ waren ein paar schöne Arten dabei: Der Bärenspinner Lithosia quadra wurde im Sommer 2017 schon an vielen Stellen in der Region gesichtet, und scheint sich fest etabliert zu haben. Die Stars des Abends waren jedoch zweifelsohne die großen Brocken, allen voran der riesige Ligusterschwärmer. Über 135 Formen standen am Ende der Nacht auf dem Zettel, und da sind die Falter vom Tage noch nicht dabei.
Auch wenn der Schlehen-Bürstenspimnner Orgyia antiqua bei uns überall vorkommt, so ist das Verfolgen der Fortpflanzung doch immer wieder ein besonderes Erlebnis. Am 5. Juni fand ich die Raupe an einem Rosenstrauch. Die Fütterung mit deren Blättern nahm sie nur kurz an und verpuppte sich schon einen Tag später. Nach 12 Tagen kam ein Weibchen mit den bekannten kl. Stummelflügeln zum Vorschein. 10 Minuten später erschien das erste Männchen, flatterte ungestüm umher und fand das Weibchen dann sehr bald.Nach der Kopula begann dann die Eiablage mit über 200 Eiern. Zur besseren Fotoansicht wurde das übrig gebliebene Puppengespinst entfernt.
Orgyia antiqua, Raupe (Foto: Dietmar Borbe)
Orgyia antiqua, Kopula (Foto: Dietmar Borbe)
Orgyia antiqua, Männchen (Foto: Dietmar Borbe)
Orgyia antiqua, Weibchen mit Eiern (Foto: Dietmar Borbe)
Großinsekten entgehen trotz ihres kapitalen Formats unseren Beobachtungen, entweder durch nächtliche Flugzeiten (Hirschkäfer, Schwärmer) oder alleine durch die Tatsache dass sie sich um unsere „normalen“ Nachweismethoden Lichtfang und Tagfaltermonitoring keinen Deut scheren. Besonders hartnäckige Kandidaten sind die Glasflügler, deren Imagines sich nur durch Pheromone nachweisen lassen, und deren Raupen zudem im Inneren von Holzgewächsen leben.
Aber manchmal hat man Glück: Bei einer Wanderung durch den winterlichen Stadtwald in Hilden wollte ich ein paar Kollegen mal eben rasch die üblichen Sesia-apiformis-Schlupflöcher und alte Kokons an den Stammfüßen von dicken Pappeln demonstrieren. Durch reinen Zufall waren dort ein paar Borkenstücke lose, ein bisschen gerüttelt, und plötzlich schaute eine bleiche, ihrer Wohnhöhle beraubte fette Made ins Freie. Bei näherem Hinsehen konnte man aber doch ein paar Beinstummel erkennen, und so war die Sache recht schnell klar: Eine Raupe vom „Hornissenschwärmer“, schon ziemlich ausgewachsen und wahrscheinlich kurz vor der Verpuppung. Das Tier wieder zurück in den Baum zu schieben war nicht möglich, also musste sie in ein neues Quartier in einem 5cm dicken Pappelast umgesiedelt werden, in dem ich zuvor mit der Bohrmaschine ein ordentlich tiefes Loch gebohrt hatte.
Rückwärts einfahren wollte sie auf gar keinen Fall, kam mehrfach nach wenigen Minuten wieder aus der neuen Behausung herausgepurzelt. Kopf voran war das Tierchen in wenigen Sekunden in seinem Domizil verschwunden, versperrte den Ausgang mit Spänen und wurde seither nicht mehr gesehen.
Ooops: Sesia apiformis– Raupe, ihres Verstecks beraubt (Foto: Joop van de Sande)
Die Raupe hat winzige Stummelbeine… (Foto: Armin Dahl)
und ordentliche Oberkiefer mit stabilen Mandibeln. (Foto: Armin Dahl)
Im neuen Versteck: Raupe von Sesia apiformis (Foto: Armin Dahl)
Kennt nur den Vorwärtsgang: Raupe von Sesia apiformis (Foto: Armin Dahl)
Die „Kunsthöhle“ wurde erst einmal mit einem Deckel versehen und in ein Fußbad gestellt. (Foto: Armin Dahl)
Synanthedon vespiformis – Wespen-Glasflügler. Haan, Am Sandbach, 20. Juli 2011 (Foto: Armin Dahl)
Unter den zahlreichen Neujahrsgrüßen in meinem E-Mail-Postfach war auch eine von der Firma Csalamon in Budapest, das sind die Kollegen die das Pheromon für Abraxas grossulariata (und viele andere) herstellen. In deren neuem Prospekt fand ich eine für mich erstaunliche Angabe über das Auftreten von S. vespiformis auch in anderen Pflanzen als nur in Eichen, und das möchte ich Euch hier nicht vorenthalten. Zwar ist mir hierzulande noch nichts dergleichen zu Ohren gekommen, aber das kann ja noch werden, wenn man mal darauf achtet.
Jedenfalls macht S. vespiformis in der spanischen Extremadura offenbar Probleme in Esskastanien-Plantagen, ein .pdf dazu findet sich im Internet: Armendariz, I., C. Aza, P. Bañuls, M. Manzano & J. Mateos (2013) Synanthedon vespiformis, un problema emergente en los castañares del norte de Cáceres. PHYTOMA España • Nº 246 FEBRERO 2013. Die Spanier haben dort übrigens auch Flugaktivität von vespiformis bis in den Oktober hinein beobachtet, auch hierzulande waren ja in diesem Jahr einige vespiformis-Spätzünder unterwegs.
Noch erstaunlicher als das Vorkommen in den spanischen Kastanien finde ich dass Auftreten von S. vespiformis in Himbeer- und Brombeerplantagen in Ungarn, vor allem in Stachellosen Brombeeren scheint die bei uns angeblich nur an Eiche fliegende Art ordentlich zu marodieren. Nachzulesen kann man das angeblich hier:
Szántóné-Veszelka M., B. Poós B., G. Szőcs (2010): Blackberry and raspberry, new hosts of the yellow legged clearwing moth, Synanthedon vespiformis: what can the recently developed sex attractant offer in monitoring and beyond. In: IOBC working group, integrated plant protection in fruit crops subgroup “Soft Fruits”, 7th workshop on integrated soft fruit production, pp 20–23
Stachellose Brombeeren gibt es hier in jeder Kleingartenanlage in großer Zahl, und es würde mich nicht wundern wenn wir in nächster Zeit auch Nachweise aus deutschen Brombeeren und Himbeeren bekommen würden.
Wer Spass an der ungarischen Sprache hat kann sich auch mal in die Doktorarbeit von Gabor Szőcs hineinlesen, hier zu finden: http://real-d.mtak.hu/906/1/dc_1192_16_tezisek.pdf (fast noch erstaunlicher dass man mit einem 22 Seiten umfassenden Werk zu einem Doktortitel kommt – möglicherweise kann man in Ungarn kumulativ promovieren, wenn man nur genügend Papers hat. Vielleicht habe ich es aber nur nicht richtig verstanden, .)