Archiv für die Kategorie ‘Eulenfalter

Nachtfalteruntersuchungen auf der BUND-Obstwiese in Bochum im Herbst 2020   5 comments

Zucker, Apfelmus und Rotwein

Nach dem ersten gezielten Aufspüren von Nachtfaltern auf der Obstwiese mit dem Leuchtturm (vgl. Nachtleben auf der Naturschutzwiese) wurden ab September die Untersuchungen über drei Monate weitergeführt, nun aber mittels Köder: einem Gemisch aus Zucker, Apfelmus und Rotwein. Dabei macht man sich zu Nutze, dass viele Nachtfalter im Herbst an Baumsäften und überreifen Früchten saugen. Der Köder imitiert so etwas und hat dabei eine sehr große Anziehungskraft, nicht nur auf Nachtfalter. Er wurde regelmäßig auf 15 Obstbaumstämme aufgetragen.

Zusätzlich wurden Köderschnüre aufgehängt und halbe Äpfel auf Zweige der Heckensträucher gespießt, die ebenfalls mit dem Köder bestrichen wurden. Eine Kontrolle fand täglich etwa eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit statt, alle Tiere wurden bestimmt und gezählt. Das Ergebnis ist eindrucksvoll: Insgesamt fanden sich 45 Nachtfalter-Arten ein, es gab 2038 Beobachtungen!

Sechs Wochen lang täglich neue Arten

Von Anfang September bis Mitte Oktober wurden täglich neue Arten am Köder entdeckt, zwölf davon nur jeweils an einem einzigen Tag! Das unterstreicht, wie wichtig die Kontinuität bei solchen Untersuchungen ist. Viele der großen Seltenheiten und gefährdeten Arten waren nur an einem oder wenigen Tagen zu finden. Eine davon ist die bei uns sehr seltene Schmalflügelige Holzeule (Lithophane semibrunnea), die sich nur am 24. September einmal kurz blicken ließ. Sie steht auf der Roten Liste der Schmetterlinge NRWs von 2011 als stark gefährdet (RL 2). Charakteristisch für sie sind die blauen Zeichnungen.

Seltene und gefährdete Arten

Ebenfalls stark gefährdet (RL 2) ist die Ulmen-Gelbeule (Xanthia gilvago), die zweimal zum Köder kam. Auch sie ist bei uns sehr selten und wurde im Jahr 2020 nur wenige Male in NRW gefunden.

In der Kategorie „gefährdet“ (RL 3) werden Schwarzes Ordensband (Mormo maura), Großes Eichenkarmin (Catocala sponsa), Linden-Gelbeule (Tiliacea citrago, s. Foto unten), Olivgrüne Eicheneule (Dryobotodes eremita, s. Foto oben) und Gebüsch-Wintereule (Conistra ligula) geführt. Die beiden Letztgenannten traten auf unserer Wiese sogar an mehr als 10 Tagen auf.

Im Bergischen Land, an dessen Rand die Wiese liegt, ist die Einstufung in die Gefährdungskategorien oft noch höher.

Weitere Arten im Rückgang

Zwei weitere Arten unserer Streuobstwiese weisen landesweit starke Rückgänge auf. Sie werden zwar noch nicht in den Rote-Liste-Kategorien geführt, stehen aber auf der sog. Vorwarnliste. Die gibt an, dass es bei der Erstellung der letzten Roten Liste schlecht aussah für diese Arten und man musste befürchten, dass sie ohne eine Verbesserung ihrer Lebensumstände in eine Gefährdungskategorie rutschen werden. Hierzu gehören das Weiße L (Mythimna l-album) und die Rost-Wintereule (Conistra rubiginea), die sicherlich zu den prächtigsten Eulenfalter gehört, die die Wiese derzeit zu bieten hat.

Häufige Arten

Neben den seltenen und gefährdeten Arten sind auch die häufigen interessant. Sie tauchen jedes Jahr irgendwann auf, sind über einen langen Zeitraum fast täglich zu finden, werden plötzlich weniger und sind dann wieder ganz verschwunden. Die Braune Spätsommer-Bodeneule (Xestia xanthographa) z. B. war von Beginn der Untersuchungen an zu finden, ihre Anzahl steigerte sich enorm, bis am 6. September 109 Exemplare an den Bäumen saßen. Genau einen Monat später suchte die Art dann zum letzten Mal die Wiese auf. Die erwachsenen Falter (Imagines) sterben ab, die Art überwintert als Raupe am Boden.

Herbsteulen

Am 19. September flog mit der Rötlichgelben Herbsteule (Agrochola circellaris) die erste Herbsteule (Gattung Agrochola) auf der Wiese. Sie hatte mit 38 Exemplaren am 22. Oktober ihren Höhepunkt. Die Zahlen nahmen danach wieder deutlich ab, aber selbst Ende November waren immer noch einzelne Exemplare unterwegs, die allerdings schon ziemlich abgeflogen aussahen. Die Herbsteulen überwintern als Ei.

Weitere Herbsteulen der Streuobstwiese sind Mondfleck-Herbsteule (Agrochola lunosa), Dunkelgraue Herbsteule (A. lota) und Gelbbraune Herbsteule (A. macilenta). Auch die beiden letzteren flogen weit in den November hinein, waren insgesamt aber immer viel seltener als die Rötlichgelbe Herbsteule.

Gelbeulen

Ab Ende September traten für einen Monat die Gelbeulen auf den Plan. Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen oft unauffällig bräunlich oder grünlichen Eulenfaltern sind die Gelbeulen auffällige Schönheiten. Ihre Grundfarben in Gelb- und Orangetönen legen nah, dass sie sich dadurch tagsüber sehr gut getarnt unentdeckt im Gebüsch zwischen dem Herbstlaub aufhalten können.

Fünf verschiedene Gelbeulen kommen auf der Wiese vor: Linden-Gelbeule (Tiliacea citrago), Gold-Gelbeule (T. aurago), Bleich-Gelbeule (Xanthia icteritia), Violett-Gelbeule (X. togata) und der bereits oben erwähnte Star der Wiese: die Ulmen-Gelbeule (X. gilvago, s. Foto oben)
Wintereulen

Schon wenige Tage nach der ersten Herbsteule kam am 22. September die erste Wintereule (Gattung Conistra) an den Köder, die Heidelbeer-Wintereule (Conistra vaccinii). Trotz des Namens treten Wintereulen schon im Herbst auf, aber anders als die Herbsteulen überwintern die Tiere als Falter. Und im Winter findet man oft nur noch sie – jedenfalls dann, wenn es nicht zu kalt ist. Die Heidelbeer-Wintereule ist bei uns eine der häufigsten Eulenfalter im Herbst und Winter. Nach ihrem ersten Erscheinen auf der Wiese trat sie fast täglich auf mit einem Höhepunkt am 11. Oktober mit 26 Exemplaren. Auf Heidelbeere ist sie nicht angewiesen, die Raupen fressen an einer Vielzahl von Kräutern und Gehölzen.

Weitere Wintereulen der Wiese sind Gebüsch-Wintereule (C. ligula), Rotkopf-Wintereule (C. erythrocephala), Rost-Wintereule (C. rubiginea, Foto s. oben) und die Schwarzgefleckte Wintereule (C. rubiginosa), die als letzte die Bühne betrat. Auch die Satelliten-Wintereule (Euspilia transversa, s. Foto unten) zählt man im Deutschen zu den Wintereulen, sie gehört aber wissenschaftlich in eine andere Gattung.

Und sonst?

Bei den Besuchern am Köder handelt es sich ganz überwiegend um Eulenfalter (Familien Erebidae & Noctuidae). Auf sie ist der Köder abgestimmt. Zwischendurch saßen aber auch Nachtfalter aus anderen Familien am Köder, wie z. B. Gelbspanner (Opisthograptis luteolata) und Perglanzspanner (Campaea margaritaria). Sie werden nur selten durch Köder angelockt, sondern fliegen eher ans Licht. Außerdem gab es hin und wieder Zünslerarten und einmal die in Vogelnestern lebende Fleischfarbene Nestmotte (Tinea semifulvella). Die skurrilste Gestalt aber war sicherlich das Winterfedergeistchen (Emmlina monodactyla). Tagsüber fand man am Köder gelegentlich den Admiral (Vanessa atalanta).

Natürlich wurden auch Nichtfalter durch den starken Geruch des Köders angelockt, insbesondere Wespen und Hornissen, aber auch bspw. Marienkäfer, Schnecken und Fliegen. In einer Nacht saß sogar eine Waldmaus auf einem Köderapfel und leckte ihn ab.

November – Wenig los bei den Eulen

Im November war am Köder zunehmend weniger los. Neue Arten kamen nicht mehr dazu. Es waren aber doch immer noch mehr zu finden als in Zeiten vor dem Klimawandel.

Die Herbsteulen wurden nun deutlich seltener und tauchten nur noch gelegentlich auf. Die Wintereulen dagegen sterben noch nicht, sondern durchleben als Falter den Winter. Viele von ihnen machen auch keine Winterpause, sondern bleiben der Wiese treu. Den ganzen Winter werden welche an den Köder kommen, mal mehr, mal weniger, wie ihnen gerade zu Mute ist. Wann das der Fall ist, ist für den Menschen schwer zu verstehen.

Im November passiert es seit Beginn der Untersuchungen zum ersten Mal, dass an besonders kalten Abenden kein einziger Falter am Köder zu finden ist.

Frostspanner übernehmen

Die Aufmerksamkeit auf der Wiese ziehen nun Frostspanner auf sich, die aber nicht zum Köder kommen. Sie nehmen als erwachsene Falter gar keine Nahrung mehr auf. Wenn eine bestimmte Temperatur knapp über Null unterschritten wird, schlüpfen sie aus den Puppen im Boden.

Die bei weitem häufigste Art bei uns ist der Kleine Frostpanner (Operophtera brumata), deren Männchen man jetzt in jedem Wald fliegen sehen kann. Oft treten sie zu Hunderten auf. Die Weibchen sehen ganz anders aus als die Männchen. Sie haben keine funktionsfähigen Flügel mehr, krabbeln die Stämme hinauf und warten auf die Männchen, um begattet zu werden. Während man die dunklen Weibchen kaum sieht, flattern die Männchen nach Sonnenuntergang auffällig in großer Anzahl über die Wiese und setzen sich auf Stämme und Zweige. Wenn sie die vom Weibchen abgegeben Lockstoffe (Pheromone) wahrnehmen, nähern sich sich ihnen und paaren sich. Dies kann dauern und währenddessen sind sie besonders gut zu fotografieren. Zu erkennen ist ein Pärchen schon von weitem daran, da die Männchen bei der Paarung – anders als sonst – kopfüber sitzen.

Sehr viel seltener findet man auf der Wiese den deutlich größeren und auffälliger gezeichneten Großen Frostspanner (Erannis defoliaria), von dem bisher nur ein einziges Männchen auf einem Strauch sitzend gefunden wurde.

Auch wenn die Art deutlich seltener ist als der Kleine Frostpanner, gehört sie bei uns doch zu den häufigen Arten und ist in NRW weit verbreitet. Wie die meisten Spanner kann man sie am besten mit Lichtquellen anlocken.

Alle Funde vom Tiere, Pflanzen und Pilzen auf der Wiese findet man übrigens bei nrw.observation.org

(Text: Armin Jagel & Jonas Mittemeyer, ebenfalls veröffentlicht unter www.bund-bochum.de)

Veröffentlicht 28. November 2020 von Armin Jagel in Eulenfalter, Phänologie

Kamillenmönch unterwegs   3 comments

Cucullia chamomillae – Kamillenmönch, Gilsdorf, Juni 2020 (Foto: Ralf Dahlheuser)

Cucullia chamomillae – Kamillenmönch, Gilsdorf, Juni 2020 (Foto: Ralf Dahlheuser)

Aktuell haben wir das dritte Frühjahr hintereinander mit hohen Temperaturen und geringen Niederschlägen, auch sind an vielen Stellen Ackerrandstreifen angelegt worden.

In der Folge scheinen mir die typischen Ruderalflur- und Steppenbewohner unter der einheimischen Fauna doch etwas im Vorteil zu sein.

So sind an verschiedenen Stellen in Nordrhein-Westfalen aktuell die Raupen von Cucullia chamomillae gefunden worden, zum Beispiel in Remscheid-Grund, Fröndenberg an der Ruhr, [Nachtrag: Nümbrecht] und auch in Gilsdorf, einem Stadtteil von Bad Münstereifel in der Eifel.

Die auffälligen Raupen sitzen gut sichtbar auf ihren namensgebenden Nahrungspflanzen, können sehr bunt sein oder auch fast weiß.

Die letzten Nachweise in unseren Daten liegen schon viele Jahre zurück, weitere Meldungen wären toll!


Nachtrag 1. Juli 2020:
Wer suchet, der findet:  ist ein Video von einer frisch gehäuteten Raupe zu sehen, aufgenommen in Haan-Gruiten, 1. Juli 2020

Veröffentlicht 24. Juni 2020 von Armin Dahl in Eulenfalter, Klimawandel, Raupen

Spätsommernacht am Mittelrhein   2 comments

Der Mittelrhein nördlich von Koblenz bis zur Landesgrenze bei Unkel ist faunistisch ein Paradies, und mit dem Auto brauche ich von Haan aus dorthin gefühlt auch nicht länger als nach Wipperfürth. 85 Kilometer Luftlinie sind es nur von meiner Haustür bis zur Burg Hammerstein, der ältesten Burg des Mittelrheintales, und Daten aus dem Umfeld von Hammerstein und Leutesdorf sind praktisch keine vorhanden. Im Gegensatz zur Rheinbrohler Lay, einem schönen passabel erforschten Felsausguck zwei Kilometer weiter nördlich. Genau das richtige also für einen entspannenden Leuchtabend im Oktober, ganz faul mitten auf dem Weinbergsweg unterhalb der Burg.

Zielarten waren die typischen Fels- und Trockenwaldbewohner, bei dem warmen Wetter mit Südströmung waren auch noch späte Wanderfalter zu erwarten: Mosel und Mittelrhein sind immer für Überraschungen gut. Für die Graubraune Eicheneule Dichonia convergens hat es zwar dieses Mal nicht gereicht, aber beschweren will ich mich nicht: Nach drei Stunden schaute der Vollmond um die Ecke und lieferte ein phantasisches Nachtpanorama, die Artenliste war mit 20 Großschmetterlingsarten halbwegs ordentlich. Und der letzte Falter am Licht war natürlich mal wieder der Kracher, bezeichnenderweise saß er in der Lichtfalle mitten in den Weinbergen: Eublemma purpurina, das dürfe dann locker die dritte Generation in diesem Jahr sein.

Ein interessanter Fund anbei: Der Kleine Felsen-Bindenspanner – Coenotephria salicata, hier scheint die 2. Generation in trockenen Sommern die Flugzeit nach hinten zu verschieben, beschrieben ist das allerdings nur anhand von Material aus Südfrankreich. (EBERT Bd. 8: 324). In der „Baden-Württemberg-Fauna“ finden sich keine Okober-Daten von E. salicata. An der Mosel und am Mittelrhein sieht das offenbar schon ganz anders aus, von dort haben wir etliche Oktober-Funde in den Daten.

Und wie sich das für einen „goldenen“ Okober gehört, gab es auf der Heimfahrt noch einen kleinen Temperaturrekord:  Im Raum Leverkusen/Langenfeld schrammte das Wetter nachts um 23.00 Uhr mit 18°C nur knapp an einer tropischen Nacht vorbei.

 

Veröffentlicht 13. Oktober 2019 von Armin Dahl in Auf Tour, Eulenfalter, Klimawandel

Mythimna vitellina unterwegs: Lob der Goldrute   1 comment

Mythimna vitellina, Haan, Spörkelnbruch, 3. September 2019 (Foto: Armin Dahl)

Nachdem ich hier schon gefühlte 15 Jahre allabendlich eine oder mehrere Runden durch meinen Garten drehe, kam heute mal wieder eine bisher nicht beobachtete Art zum Vorschein: Mythimna vitellina, die Dottergelbe Graseule. Eigentlich ein Wanderfalter, der nur ausnahmsweise nördlich der Alpen gesehen wird. Die Art hat einen weiteren Deutschen Namen verpasst bekommen: Steppenhügel-Weißadereule, was neben der Flügelzeichnung auf die Herkunft aus Süd- und Osteuropa deutet. Der letzte Nachweis von M. vitellina aus Nordrhein-Westfalen stammt aus dem Jahr 2011, bezeichnenderweise aus der Senne, der großen Sandlandschaft in Ostwestfalen.

Im Supersommer 2019 aber tauchte M. vitellina bereits im Juni an der Mosel auf, gefunden haben sie dort natürlich – die Holländer. Und jetzt in meinem Garten!
Das Tierchen wuselte dort minutenlang in der blühenden Goldrute herum, die nachts als Nahrungsquelle für viele Falterarten attraktiv ist. Goldrute wird deshalb extra von mir angebaut bzw. nicht eingedämmt. So konnte ich ein paar Handyfotos schießen und dann nach drinnen gehen um ein Glässchen zu holen…

Das muss der seltene Falter irgendwie mitbekommen haben, denn anstatt sich anstandslos für die museale Ewigkeit aufspannen zu lassen, flog er mir beim nächste Ansehen schnurstracks gegen den Kopf bzw. die Stirnlampe, und war danach verschwunden.
Morgen kommt die Kaltfront und dann soll der Sommer endlich vorbei sein. Das wird mich nicht hindern wieder meine Runden zu drehen, an Köderschnüren und Goldrute vorbei. Die Qualität der folgenden mit dem Handy geschossenen Bilder ist zwar nicht doll, aber trotzdem, hier noch ein paar Impressionen vom heutigen Abend.

Veröffentlicht 4. September 2019 von Armin Dahl in Arten / Listen, Buchsbaumzünsler, Eulenfalter, Wanderfalter

Winter schon wieder vorbei, hoffentlich   1 comment

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Ich kann mich leider nicht für Winterlandschaften begeistern, bei Frost und Dunkelheit herumzulaufen und ständig den Ofen nachzufeuern finde ich komplett verzchtbar, ich gebs zu: der Klimawandel mit 2 Grad mehr Durchschnittstemperatur flößt mir vorert weit weniger Furcht ein, als es vielleicht angebracht wäre.

Aber das schlimmste ist für dieses Jahr überstanden, die ersten Frühjahrsfalter sind unterwegs, und an den Köderstellen sind eine Menge vom kalten Wetter ausgehungerte Falter unterwegs. Eine kleine Köderrunde im Neandertal brachte heute am Abend knappe 50 Falter und ein paar schlechte Handyfotos. Und auch in unserem „schönsten“ Lichtfangplatz, dem Tunnel unter der A46 im Eller Forst, ist schon wieder Betrieb. Als Beifang: ein schlafender Gartenbaumläufer, der sich auf Augenhöhe in einem kleine Loch an einem Köderbaum verkrochen hatte.

 

 

Veröffentlicht 5. Februar 2019 von Armin Dahl in Eulenfalter, Phänologie, Spanner

Haariges im November   Leave a comment

Der S-Bahnhof Millrath ist kein Platz an dem man sich freiwillig aufhält. Eine zugige gekachelte Unterführung, Sprayer haben die Wände verziert, die Mülleimer quellen ständig über, manchmal riecht es etwas streng nach Eishockey- oder Fußballfan. Ein schäbiger Platz, hinzu kommt eine Menge mäßig gut gelaunter Leute, die zur Arbeit oder nach Hause hasten. Jeder plant so knapp es geht, und bei dem dichten Takt der Züge am Morgen ist auf dem Parkplatz und Bahnhof ein ständiges Gerenne der arbeitenden Bevölkerung, Schüler etc. im Gang.
Spinnweben hängen von der Decke, die Beleuchtung ist sparsam, wenn nicht gerade kaputt. Da muss man schon ein bisschen Nerven haben, um die Lampen und Wände jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit gründlich abzusuchen. Es bringt einem viele merkwürdige Blicke ein, wenn man mit der Handy-Taschenlampe die Wände und Ecken ableuchtet. Aber das kratzt mich nicht, wo Spinnen sind, da sind auch immer irgendwo Schmetterlinge, und das ist das einzige was zählt.

Lithophane leautieri sieht aus wie eine schmale spitzflügelige Asteroscopus spinx. Millrath, S-Bahnhof, 7. November 2018 (Handyfoto : Armin Dahl)

Seit Mai 2018 habe ich dort bis jetzt 28 Arten festgestellt, man bekommt mit der Zeit einen Blick dafür wo die Falter sitzen. Ausserdem ist das Ganze ein Lehrstück dafür, wie empfindlich die einzelnen Arten auf Dauerbeleuchtung und Lichtverschmutzung reagieren: Manche Arten (z.B. Wurzelbohrer) sitzen tagelang wie festgeschraubt am gleichen Fleck, andere fliegen sofort ab wenn man sich nähert. Abgesehen davon ist die Bahnstrecke Düsseldorf >> Erkrath >> Wuppertal und das nahegelegene Neandertal eine der großen Einflugschneisen und Wanderrouten für eine Reihe von Arten, die aus dem Rheintal heraus in höhere Lagen vordringen.

Heute gabs dann eine echte „Rakete“, den Erstnachweis der Zypressen-Holzeule Lithophane leautieri (BOISDUVAL, [1829]) fürs Bergische Land. Nachdem Willi Wiewel am 18. Oktober 2015 mit einem Falter am Köder in Duisburg-Wanheim den Erstnachweis für Deutschland erbracht hatte, scheint die Art sich relativ rasch auszubreiten. Ich kenne die Art von der Bretagne-Küste, dort leben die Raupen vom L. leautieri in den als Windschutz angepflanzten Zypressen-Hecken. Geht man mal davon aus dass sich der Falter in der Umgebung entwickelt hat, kommt der in Sichtweite gelegene Parkfriedhof in Frage, mit seinem großen Bestand verschiedener friedhofstypischer Nadelgehölze, oder der Siedlungsbereich von Erkrath-Millrath.

Veröffentlicht 7. November 2018 von Armin Dahl in Arten / Listen, Eulenfalter

Übersehen, Ausbreitung, Wanderung?   2 comments

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Blick aus dem Küchenfenster auf die trockene „Heide“

Meine Lichtfalle ist umgezogen. Bisher hing sie im Garten an der Hecke oder unter den Obstbäumen, angrenzend kommen die Feuchtwiesen des FFH-Gebiets Spörkelnbruch, und in der Lebendfalle fanden sich immer viele Feuchtgebietsarten. Beim Leeren bekam ich regelmäßig nasse Füße, keine 50m hinter dem Haus herrscht bei klarem Wetter immer starker Taufall.

Jetzt hat das gute Stück den Platz gewechselt. hängt auf der trockenen Schafweide oberhalb vom Haus, der Höhenunterschied ist zwar nur marginal, der Effekt jedoch gewaltig;: Der Taufall ist dort viel geringer, die Nachttemperaturen gefühlt 2-3 °C höher, und die Füße bleiben morgens trocken.

Spodoptera exigua, Haan, Spörkelnbruch, 17. September 2018 (Foto: Armin Dahl)

Drei Nächte hängt sie jetzt am neuen Platz, und schon sind die ersten wärmeliebenden „Raketen“ drin: Spodoptera exigua ist eine weltweit verbreitete Art die den Deutschen Namen Knöterich-Seidenglanzeule abbekommen hat. Im Englischen Sprachraum klingt das schon ganz anders:  da heißt das Tierchen „Beet Armyworm“, was darauf hindeutet dass es Nutzpflanzen aus der Kohlverwandschaft und Rüben befällt  (Beta vulgaris) und zu Massenvermehrungen neigt. Das unangenehme dabei: Die Raupen von S. exigua bohren sich in die Stengel und Wurzeln ein und das befallene, löcherige Gemüse lässt sich hinterher nicht mehr verkaufen. Gefressen wird so ziemlich alles was grün ist, Luzerne, Kartoffeln, Zwiebeln, Paprika, Salat, Erbsen, Mais etc. Regelmäßig im Herbst tauchen einzelne Tiere von S. exigua in unserer Region auf, Vermehrungsnachweise oder gar Populationen gibt es meines Wissens aber nicht.

Eugnorisma glareosa

Eugnorisma glareosa, Haan, Spörkelnbruch, 17. Sdeptember 2018 (Foto: Armin Dahl)

Noch besser aber der Fund von Eugnorisma glareosa, ein Tier das hier herum noch nie gefunden wurde. Ein typischer Tier trockener Heiden, auch die warmen Steilhänge des Mittelrhein- und Moseltales sind besiedelt, und die warmen Kalk-Halbtrockenrasen der Eifel. Nach momentanem Kenntnisstand ist das der nördlichste Fundort in der Rheinschiene, bisher kannten wir die Graue Spätsommer-Bodeneule nur aus der Delbrücker Heide.

Nun ist die Wiese vor meinem Küchenfenster zufälligerweise einer der letzten nördlichen Zipfel der Bergischen Heideterrasse,  der nicht vom Wald erobert oder unter dem Siedlungsbrei verschwunden ist. Und ich mache ein paar Meter weiter seit diesem Jahr den Versuch, die typischen Pflanzen trockener Sandheiden hier wieder zu etablieren. Ob Eugnorisma glareosa sich nun nordwärts ausgebreitet hat, oder erst jetzt entdeckt wurde, seitdem die Lichtfalle über der trockenen Wiese hängt, bleibt vorerst ungeklärt. Wie dem auch sei, für beide oben erwähnte Arten gilt: Herzlich willkommen!

Veröffentlicht 18. September 2018 von Armin Dahl in Eulenfalter, Wanderfalter

Nachtexkursion zur Naturschule Grund in Remscheid am 14. September 2018   2 comments

Mindestens einmal im Jahr treffen wir uns zum gemeinsamen „Leuchtabend“ an der Naturschule Grund.

Die alte Schule im Ortsteil Grund beherbergt die Umweltbildungsstation der Stadt Remscheid. Hier wird Wert auf Artenvielfalt gelegt: Das weitläufige Gelände bietet zahlreichen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum. So ist der angelegte Apothekengarten absolut sehenswert. Hier findet man Wildpflanzen genauso wie bekannte und in Vergessenheit geratene Nutz- und Zierpflanzen.

Diese Vielfalt macht sich natürlich auch bei den Schmetterlingen bemerkbar: Die meisten Arten sind als Raupe auf bestimmte Futterpflanzen angewiesen: Je mehr Pflanzenarten desto mehr Schmetterlingsarten. So zeigten sich am 14. September 2018 bei kühlen 15-18 Grad und leicht bedecktem Himmel über 40 Groß-und Kleinschmetterlingsarten an den „Köderschnüren“ und „Leuchttürmen“. Eine Zahl, die für die Jahreszeit, die Region und die eher kühle Ortslage in Remscheid bemerkenswert ist. Dem pädagogischen Leiter der Naturschule Grund, Jörg Liesendahl, gilt wie immer unser besonderer Dank!

Hier einige Bilder des Abends (Bitte anklicken!).

<< ———– Nachtrag von Armin —————->>

Und hier die ganze Artenliste

Micros

Tischeria ekebladella Mine 10 – an Eiche
Macrosaccus robiniella Mine 3 – an Robinie
Carcina quercana 10
Acleris rhombana 1
Acleris variegana 1
Hypsopygia costalis 1
Oncocera semirubella 2 – steht auf der Roten Liste Bergisches Land mit „1“ – vom Aussterben bedroht!
Crambus perlella 1
Cydalima perspectalis 2 – andlich auch in Remscheid angekommen!

Großschmetterlinge

Watsonalla binaria 2
Watsonalla cultraria 2
Drymonia obliterata 1 – zweite Generation!
Phragmatobia fuliginosa 1 -frischer Falter, dritte Generation?
Opisthograptis luteolata 3
Peribatodes rhomboidaria 3
Campaea margaritaria 2
Pungeleria capreolaria 1
Idaea aversata 5
Epirrhoe alternata 1
Camptogramma bilineata 1
Chloroclysta siterata 1
Dysstroma truncata 1
Thera britannica 3
Colostygia pectinataria 3
Gymnoscelis rufifasciata 1
Laspeyria flexula 5
Hypena proboscidalis 4
Rivula sericealis 3
Amphipyra pyramidea 7
Phlogophora meticulosa 1
Xanthia togata 1
Tiliacea aurago 1
Sunira circellaris 1
Agrochola litura 3
Conistra vaccinii 7
Ochropleura plecta 1
Noctua pronuba 8
Noctua comes 2
Noctua fimbriata 1
Noctua janthina 1
Xestia xanthographa 4

Oncocera semirubella: Die schwarzen Kästchen zeigen die aktuellen Nachweise seit 2001, das rote Kästchen markiert denMTB-Quadranten 4709,3 in dem Remscheid-Grund liegt.

„Bestes“ Ergebnis des Abends ist mit Sicherheit der Fund von Oncocera semirubella auf dem ehemaligen Sportplatz neben der Naturschule Grund. Der Falter hat sich in den letzten Jahren aus dem Tiefland bis ins kühle, regenreiche Remscheid vorgearbeitet und besiedelt jetzt offenbar auch das Bergische Land. Auf der Roten Liste Bergisches Land (SCHUMACHER et al. 2010) steht der Falter noch in Kategorie „1“ – vom Aussterben bedroht!

 

Veröffentlicht 15. September 2018 von Tim Laußmann in andere Insekten, Eulenfalter, Mikros

Das Blaue Wunder an der Garagenwand   3 comments

Wir fahre viel herum, um seltene Arten zu sehen. Mittelrhein, Mosel, Sieg, Hohes Venn, jedes Jahr gehen etliche Tankfüllungen für das Hobby drauf, von der aufgewendeten Zeit mal gar nicht gesprochen. Bis in die Hohe Rhön nach Thüringen bin ich in diesem Jahr gefahren, um mal ein Blaues Ordensband zu sehen. Eigentlich überflüssig, es reicht auch eine eine normale Lampe an der Garage, und der Rest ist Routine!

Catocala fraxini – Blaues Ordensband Wuppertal-Barmen, 11. September 2018 (Foto: Ludger Buller)

Denn es geht natürlich auch anders, wie man sehen kann: Ludger Buller aus Wuppertal hat keine exquisite Wohnlage, lebt in einem normalen gut durchgrüntes Wohnviertel in Wuppertal-Barmen, die Barmer Anlagen und der Kothener Wald liegen in fußläufiger Entfernung. Nix dolles, würde man denken.

Aber von wegen: Alleine durch regelmäßiges Beobachten am Haus lassen sich auch in „normalen“ Gebieten tolle Arten nachweisen, nach denen sich der eine oder andere erfahrene Faunist die Finger lecken würde. Denn die meisten der angeblich verschwundenen einheimischen Nachtfalterarten sind nicht komplett ausgestorben, sondern leben nur unter der Wahrnehmungsschwelle. Und kommt ein gutes Jahr wie 2018, dann bekommt man sie zu Gesicht – vorausgesetzt man geht allmorgendlich seine Runde und kontrolliert alle Lampen in der Umgebung.

 

Veröffentlicht 11. September 2018 von Armin Dahl in Eulenfalter

Das Insektensterben, die Schadenfreude und ein wenig Hoffnung.   Leave a comment

Der Dürresommer 2018 geht nach kurzer Atempause gerade in die nächste Runde, ordentlicher Landregen ist keiner in Sicht, und die Wiesen sehen aus wie ungarische Steppen. Alles hinüber, sollte man denken, und bekommt schon fast Mitleid mit den armen Schmetterlingsraupen, die nichts zu fressen haben.

Aricia agestis, Haan, Technopark, 17. August 2018 (Foto: Armin Dahl)

Aricia agestis, Haan, Technopark, 17. August 2018 (Foto: Armin Dahl)

Wirklich alles kaputt? Das frisch eingesäte Grünland, das die AGNU Haan neben dem neuen Industriegebiet in Haan betreut, entwickelt sich wider Erwarten sehr blütenreich und ist gar nicht vertrocknet. Und liefert Tagfalter ohne Ende, im Moment sind dort täglich frisch geschlüpfte Schwalbenschwänze, Goldene Acht und Kurzschwänzige Bläulinge zu bewundern, mal ganz abgesehen vom omnipräsenten Großen Kohlweißling.

Das Ganze hat natürlich einen eher traurigen Hintergrund, nämlich den rasanten Flächenverbrauch im Speckgürtel der rasant wachsenden Großstadt Düsseldorf. Im angrenzenden Kreis Mettmann, zu dem ein großer Teil der Bergischen Heideterrasse gehört, überschlagen sich die sieben Städte beim Versuch, von diesem Kuchen etwas abzubekommen. Sie opfern dabei ihre letzten Freiflächen, und angeblich ist das alles alternativlos, schon die Millionärs-Hochburg Haan hat mehr als 40 Millionen Euro Schulden (Stand Ende 2017) und braucht dringend neue Gewerbesteuer. Das geht angeblich nur über Neuansiedlungen von Firmen, und als „Abfallprodukt“ entstand die oben erwähnte Ausgleuichsflächhe.

Was das alles hier zu suchen hat? Einer der größten Steuerzahler im Kreis Mettmann hat seinen Firmensitz in Monheim. Bayer Crop Science steht für alles, was uns so zum Thema Insektensterben einfällt. Der Konzern verkauft Unmengen von Spritzmitteln, ohne die industrialisierte Landwirtschaft gar nicht funktionieren könnte. Das Gerede von der ausreichenden und gesunden Ernährung der Weltbevölkerung klingt ein wenig hohl, der DAX-Konzern Bayer muss seinen Gewinn maximieren, gehört er doch zum großen Teil irgendwelchen seelenlosen Investmentfonds: Größter Einzelaktionär mit 3,7 %  ist zum Beispiel eine Temasek Holdings Pte Ltd. mit Sitz in Singapur.

Und der Leverkusener DAX-Konzern hat nun zu allem Überfluss auch noch den „Satan im Sojafeld“ übernommen, den amerikanischen Glyphosat-Hersteller Monsanto. Die Amerikaner haben in den letzten Jahrzehnten nichts unversucht gelassen, um ihr miserables Umwelt-Image zu verfestigen: Die Verschleierung von Krebsrisiken durch den Unkrautvernichter Roundup (Glyphosat) war sozusagen eines der Kernprogramme des Konzerns. Wer wissen will, wie so was geht, der kann mal die Studie „Buying Science“ des Netzwerks GLOBAL 2000 anschauen.

Nun gehen ein Drittel aller Firmenübernahmen schief, und das Bayer-Management hat zumindest im ersten Anlauf tief in die Sch… gegriffen: Monsanto hatte tausende Klagen von Krebspatienten im Gepäck, und praktisch keine relevanten Rückstellungen für Entschädigungszahlungen gebildet. Und kurz nach der Übernahme hat ein US-Gericht Monsanto zu einer Zahlung von umgerechnet etwa 250 Millionen Euro Schmerzensgeld verurteilt, für einen einzigen Patienten wohlgemerkt. Der Aktienkurs der Bayer AG ist im Gefolge auf Sturzflug gegangen, und hat von November 2017 bis Mitte August 2018 ein Drittel an Wert verloren. „Das Leben verbessern – darum geht es uns bei Bayer. Alle zusammen. Überall auf der Welt“. Wenn der Konzern mit dem Kreuz seine eigenen Werbesprüche ernst nimmt, sollten sie dort zukünftig etwas mehr Kopfschmerztabletten und etwas weniger Agrochemikalien herstellen. So viel zum Thema Schadenfreude.

Agrotis vestigialis

Agrotis vestigialis, Dormagen, Wahler Berg, 17. August 2018 (Foto: Armin Dahl)

Und zum Schluß noch eine gute Nachricht, zwar nicht aus dem Niederbergischen, aber in Sichtweite auf der anderen Rheinseite: Die winzig kleine Relikt-Düne Wahler Berg bei Dormagen (übrigens auch in Sichtweite der BAYER-Schlote) scheint in den vergangenen Jahrzehnten ihren Artenbestand mehr oder weniger erhalten zu haben: Nach der Grüneule Calamia tridens hat der Lichtfang am Wochenende eine weitere typische, an Sand angepasste Eulenart zum Vorschein gebracht, die Kiefernsaateule Agrotis vestigialis. Der letzte bekannte Nachweis stammte von 1988. Das Gebiet ist umhüllt von einem schmalen Eichenwald, der Sandmagerrasen am Wahler Berg ist nur so groß wie ein Fußballfeld, allerdings finden sich hier schöne Bestände vom Silbergras  (Corynephorus canescens) und zahlreiche offene Sandstellen.  Umgeben von Chemiefirmen, Autobahnen, Logistikzentren und intensister Landwirtschaft, ein kleines Paradies,

 

Veröffentlicht 20. August 2018 von Armin Dahl in Eulenfalter, Insektensterben, Lebensräume, Umwelt

Blutmond oder das große Krabbeln am Wahler Berg   1 comment

Einbildung ist auch ne Bildung: Ich bilde mir ein dass wir hier im Niederbergischen eine ganz ordentlich funktionierende Truppe haben, was die Nachtfalter angeht. Immerhin springen hier etwa ein Dutzend Personen herum und schreiben alles auf was Schuppen auf den Flügeln hat, und das ist besser als in den meisten deutschen Landstrichen, in denen es nur weit versprengte Einzelkämpfer gibt.
Aber ab und zu stelle ich doch wieder fest, dass wir nur ein paar „Hansele“ sind, jedenfalls im Vergleich zu unseren Nachbarn, den Holländern. Die leuchten echt was weg, und zwar bei Groß- und Kleinschmetterlingen!

Anania perlucidalis (Hübner, [1809]), Dormagen, Wahler Berg, 27. Juli 2018 (Foto: Armin Dahl)

Ein Beispiel unter vielen: Der gestrige Leuchtabend am Wahler Berg in Dormagen war anstrengend, aber lohnend, die Temperaturen barbarisch (beim Abbau um 02.00 Uhr 25°C!), viele tausend Zuckmücken und winzige Staphyliniden und anderes winziges Ungeziefer kam zum Licht, dementsprechend juckte es einen ständig überall, und der Anflug bei den Nachtfaltern war nicht ganz schlecht. Wirklich neu für mich war aber nur eine Art, Anania perlucidalis (HÜBNER, [1809]), so etwas wie eine Kleinausgabe des Brennesselzünslers P. ruralis. Genau genommen ist auch das falsch, nur habe ich mich im Jahr 2010 beim Leuchtabend im Himmelgeister Rheinbogen noch nicht für Kleinschmetterlinge interessiert (zum Glück war damals Rudi Seliger als Mikro-Experte mit dabei und hat den Falter notiert).
Na ja, jedenfalls gibt es linksrheinisch ganze fünf (5!) Nachweise aus den letzten 30 Jahren auf unseren Verbreitungskarten, mit dem sechsten kann man schon mal angeben. Denkste!
Ein Blick in die Daten von Observation.org, und schon ist klar: Eine schöne Erfassungslücke haben wir da in Westdeutschland, und sonst nichts!

Anania perlucidalis in Belgien und den Niederlanden, Stand Juli 2018

Die Verbreitungskarte zeigt ein fast flächendeckendes Vorkommen in Holland und Belgien an, und aus 2018 sind alleine in den Niederlanden mehr als 40 Einträge drin. Felix Hollandia!

Das alles kann uns natürlich den herrlichen Leuchtabend nicht vermiesen, den wir im Zeichen der längsten totalen Mondfinsternis des Jahrhunderts angesetzt hatten. Etwa 70 Arten Großschmetterlinge, darunter mit der Spanischen Flagge mal wieder eine Art an der nördlichen Verbreitungsgrenze. Jede Menge Mikros, darunter sehr selten gemeldete Zünsler. Und wieder mehr als ein Dutzend Catocala sponsa.  Und tausende Mücken, Käferchen und sogar eine Großlibelle mitten in der Nacht, kein Wunder bei der Affenhitze.  Hier findet Ihr dei vorläufige Liste.

Die Mondfinsternis wäre uns allerdings um ein Haar entgangen: Der angekündigte „Blutmond“ war am hellen Himmel über Leverkusen und Köln kaum zu erkennen. Wer Himmelsbeobachtungen machen will sollte halt nicht parallel mit Quecksilberdampflampen hantieren. Das folgende perfekte Bild stammt deshalb auch vom Himmelsfotospezialisten Tim Laußmann.

 

Veröffentlicht 28. Juli 2018 von Armin Dahl in Arten / Listen, Eulenfalter, Mikros

Supersommer für Catocala sponsa   2 comments

Die Kollegen hatten schon darüber berichtet, und ich selbst hatte an der Mosel und auch vor meiner Haustür schon einzelne Tiere gesehen. Aber in der Menge war das dann doch erstaunlich: Beim gestrigen Lichtfang am Wahler Berg in Dormagen war der erste Falter am Köder – noch in der Dämmerung – ein Großes Eichenkarmin! Und im Laufe des Abends wurde die Art regelrecht häufig, am Ende waren es zehn Tiere, von denen fünf auch am Licht erschienen.

Aber der Reihe nach: Seit Wochen schon geistern durch die Internetforen Berichte über Massenansammlungen von Ordensbändern, zum Beispiel aus der Davert südlich von Münster. Das ganze hat größere Ausmaße, so haben die fleißigen Nachbarn in Holland  schon Nachweise aus über 170 Quadranten(5x5km) gesammelt. Wieder einmal ist zu beobachten dass in manchen Jahren bestimmte Arten synchron über große Gebiete besonders „gute“ Jahre haben, und bei den besonders großen und spektakulären Arten macht das natürlich besonderen Spaß.

Was Catocala sponsa betriff hatte man am gestrigen Leuchtabend den Eindruck dass die Tiere schlicht und ergreifend Durst haben. Kein Wunder bei den Wetterverhältnissen mit scharfem Ostwind und seit Wochen hohen Temperaturen.

Der Wahler Berg, eine wunderschönen kleine Rest-Düne, versteckt in einem Eichenwäldchen auf der „falschen“ Rheinseite zwischen Neuss und Dormagen, hat es in sich.

Der gestrige Abend brachte zwar nur gut 60 Arten Großschmetterlinge, was ebenfalls der andauernden Trockenheit zuzuschreiben ist. Darunter jedoch als kleine Sensation die Grüneule Calamia tridens, eine unserer „Zielarten“. Calamia tridens ist dort schon vor 30 Jahren bei der Untersuchung zur Ausweisung des Naturschutzgebiets gefunden worden, und war damals wie heute eines der Kleinodien der Fauna im Rheinland. Die nächstgelegenen halbwegs aktuellenNachweise stammen aus den Wisseler Dünen bei Kalkar (2017, Jan Buchner) und aus Krefeld (2006, NSG Egelsberg, Andreas Bäumler). Aber auch auf der Niederbergischen Seite gab oder gibt es Calamia tridens:  So fand der leider viel zu früh verstorbene Uli Bosch die Art bei einer Untersuchung zur geplanten Erweiterung des Elbsees bei Hilden, im Supersommer 2003.

Veröffentlicht 8. Juli 2018 von Armin Dahl in Arten / Listen, Eulenfalter

Moselexkursion 2018 – Nachlese   Leave a comment

Vier Tage Exkursion an die Mosel, das ist für mich immer einer der Höhepunkte des entomologischen Jahreskalenders. Und danach hat man ein paar Tage zu tun bis alle Daten gesichtet sind und die Digitalbilder aufgeräumt, das Schlafdefizit nach drei Mal Lichtfang ist ebenfalls erheblich. Aber wie bereits in den Vorjahren war der Trip jede Anstrengung wert: Wenn zum morgendlichen Kaffeetrinken der Große Schillerfalter an der Hauswand des Quartiers sitzt, am Nachmittag der Kleine Eisvogel, dann ist die Motivation gesichert. Hier noch ein paar Eindrücke von der Tour, dazu ein paar Bilder von bemerkenswerten Arten, darunter ein Erstnachweis für Rheinland-Pfalz. Weitere tolle Arten im Beitrag von Tim Laußmann

 

Veröffentlicht 22. Juni 2018 von Armin Dahl in Arten / Listen, Auf Tour, Eulenfalter, Mikros, Mosel, Tagfalter

Stadtgrün nicht so schlecht wie gedacht   5 comments

Euclidia glyphica - Braune Tageule. Düsseldorf, Toulouser Allee, 16. Mai 2018

Euclidia glyphica – Braune Tageule. Düsseldorf, Toulouser Allee, 16. Mai 2018

Straßenbegleitgrün wird immer ein wenig scheel angesehen, meistens taugt es aus entomologischer Sicht nicht viel, dient nur als Staub- und Müllfänger, wird immer zum falschen Zeitpunkt gemäht, ökologische Aspekte spielen in den Städten kaum ein Rolle, alleine die Optik zählt. Bisher!

Aber ab und zu gibt es doch ein paar Lichtblicke, so im frisch angelegten Marc-Chagall-Park und den angrenzenden Grünstreifen entlang der Toulouser Allee mitten in Düsseldorf.
Vor wenigen Jahren war hier noch der Güterbahnhof, umgeben von schrägen Etablissements der Rotlichtszene, jetzt stehen hier moderne Wohnungs- und Bürohäuser. Die Wohnungen sind zwar ziemlich unbezahlbar, aber was soll man sagen, die Stadt boomt und platzt aus allen Nähten, und besser als ein Wohngebiet auf der grünen Wiese ist das allemal. Jetzt springen dort eine Menge Town-Hipster herum, es gibt etliche Fitnessstudios, im Marc-Chagall-Park liegen Menschen mit überdimensionalen Kopfhörern in der Wiese, ein Stadteil erfindet sich neu.

Und offenbar hatten die Stadtgärtner ein Einsehen beim Einsäen der Grünstreifen entlang der vierspurigen Toulouser Allee: Salbei, Margeriten, Wiesen-Knautie, Hornklee: Das was draussen vor der Stadt in den Wiesen herausgedüngt wird, das findet sich hier in voller Blüte. Und mittendrin erstaunlich viele Schmetterlinge.

Euclidia glyphica - Braune Tageule. Düsseldorf, Toulouser Allee, 16. Mai 2018

Düsseldorf, Toulouser Allee, 16. Mai 2018

Die beiden Bläulinge Polyommatus icarus und Cupido argiades habe ich dort gestern gesehen, und die Braune Tageule Euclidia glyphica hat gerade ein Massenvorkommen auf dem Mittelstreifen. Chapeau ihr Stadtgärtner, mehr davon!

Veröffentlicht 16. Mai 2018 von Armin Dahl in Eulenfalter, Lebensräume, Tagfalter

Grüne Schmuckstücke von der Mosel   Leave a comment

Ein Kurztrip von Haan zum Lichtfang an die Mosel ist leider immer eine Herausforderung, Vor allem der folgende Morgen im Büro lässt sich gemeinhin etwas zäh an. Aber der Aufwand lohnt sich!

Der Winter war lang, der Generator stand monatelang unbenutzt herum, und die ganze Lichtfang-Ausrüstung musste dringend mal gelüftet werden. Aber mitten in der Woche? 300 Kilometer Autofahrt und spät in der Nacht zurück? Aber manchmal muss man sich einfach mal einen Ruck geben, und die Wetterprognose mit viel Regen in den kommenden Tagen vor Ostern ist noch übler!

Der Ruck geht dann erst mal am Hilden Kreuz durch das Auto, Stop + Go auf 15 Kilometern bis nach Leverkusen. Na prima, die erste Stunde ist schon herum und es wird schon dämmerig. Also ordentlich auf die Tube gedrückt, die schönen Rastplätze, die normalerweise nach Faltern abgesucht werden, bekommen heute keinen Besuch.Die Temperatur geht schon bedenklich in den Keller, 8 °C  in der Eifel, bei klarem Himmel am Nachmittag, das RLP-Radio meldet Bodenfrost für die Nacht, das war anders angekündigt. Aber jetzt gibts kein Zurück mehr!

Die letzten Kilometer Richtung Untermosel sind zurückgelegt, jetzt gilt es noch einen Leuchtplatz zu finden. Und zwar in den neu angelegten Weinbergen in Pommern, über die Lea Jäger auf der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft berichtet hat: Reben-Querterrassen mit Fahrgassen, angrenzend an schlehenreiche Brachen. Da sollte es alles mögliche an Faltern geben. Aber wie das so ist in unbekannten Weinbergslagen, bis man ein ordentliches Plätzchen gefunden hat vergeht Zeit, und es ist schon fast dunkel.

Also schnell die Lebend-Lichtfalle an eine halbwegs erreichbare Stelle bei einer Brachfläche gehängt und weiter. Mittlerweile ist es reichlich frisch und außerdem zieht Kaltluft den Hang hinunter – viel schlechter können die Bedingungen eigentlich nicht werden. An der Kapelle oberhalb des verschlafenen Weindörfchens Pommern finde ich einen halbwegs geschützten Platz hinter einer Buchsbaumhecke, rasch den Leuchtturm aufgebaut, die Köderschnüre in die Hecke verteilt, der Mond steht schon hell am blanken Himmel. Zuhause in Haan könnte man das jetzt komplett vergessen, mangels Anflug.

Aber ich bin nicht im Niederbergischen, sondern an der Mosel! Kaum hängen die Köder, kommen die ersten Falter, angelockt vom billigen Glühwein. Und das in einer Weinlage, in der seit Jahrtausenden bester Riesling wächst! Am Licht finden sich die ersten Geometriden ein, und auch in den Hecken belebt es sich: Obwohl die Schlehen rundherum noch völlig geschlossene Knospen haben, sitzen die Büsche voll mit Männchen des Schlehenheckenspanners Aleucis distinctata, und an der Wand der Kapelle sitzt die erste Buchenmotte (Diurnea fagella). Nach zwei Stunden stehen 15 Großschmetterlingsarten auf dem Zettel, nicht ganz schlecht. So richtig tolle Arten waren heute nicht dabei, das beste war noch die Raupe von Arctia villica, die an der Wand der Kapelle hochkroch. Mittlerweile bin ich aber völlig durchgefrorenen, das Thermometer steht auf 4° C, also Schluß für heute!

Erst auf der Hauptstraße fällt es mir wieder ein: Die Lichtfalle! Also noch mal hoch in die Weinberge, diesmal auf der anderen Seite des Orts. Dort ist es zwar genauso kalt, aber es geht wenigstens kein Wind. Beim ersten Blick in den Trichter der Lichtfalle dann wandelt sich die Laune in Sekundenschnelle. Dieses  Tier habe ich überhaupt noch nie gesehen! Eriogaster lanestris wird wegen der frühen Flugzeit zwar wahrscheinlich unterkartiert, aber trotzdem: der letzte Nachweis vom Frühlings-Wollafter von der Untermosel  liegt mehr als 30 Jahre zurück. Und im Fangsack dann der eigentliche Anlass für den Kurztrip: Valeria oleagina, die Olivgrüne Schmuckeule, eine weitere Rarität der einheimischen Schmetterlingsfauna.

Faunistik ist ja möglicherweise ein bescheuertes Hobby, wer sich zudem mit „Motten“ beschäftigt, der muss sich in Deutschland manchen Spott gefallen lassen. Aber drauf gepfiffen: Die zwei Stunden Heimfahrt mitten in der Nacht gehen flott vorbei, und auch am Morgen nach drei Stunden Schlaf schaut mir aus dem Spiegel ein fröhlicher Mottenfänger entgegen.


by the way:

•• Donnerstag, 5.4.2018, 19.00 bis ca. 21.30, Treffen in den Entomologischen Sammlungen Krefeld. Vortrag von Monika Weithmann: „Drei Jahre Lichtfang in Pommern an der Mosel – Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse nachgewiesener Schmetterlinge (Lepidoptera).

Veröffentlicht 28. März 2018 von Armin Dahl in Auf Tour, Eulenfalter, Lebensräume, Mosel, Spinner

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