Acer monspessulanum. Winningen 29. März 2023 (Foto: Armin Dahl
Es gibt so Tage im Frühjahr, da hält man es einfach nicht mehr aus als Nachtschmetterlingsmensch im falterarmen „Düsseldorfer Loch“. Da müssen einfach ein paar „ordentliche“ Arten auf den Zettel bzw. die Festplatte, und dabei wird – ist ja schließlich Hobby – auch Zeit und Sprit investiert. Wärmeliebende Spitzenarten will ich sehen, je bunter desto besser.
Also wird eine entsprechende Wetterlage abgepasst, eine möglichst milde Nacht ohne Wind, und dann nichts wie ab an die Mosel. Nach der Umstellung auf die Sommerzeit kann man Ende März dem irrsinnigen Feierabendverkehr rund um Köln halbwegs entgehen, dunkel wird es erst weit nach 20 Uhr, 130 Kilometer An- und Abfahrt, das geht noch gerade so.
Der nächste erreichbare Platz an den Moselhängen liegt in Winningen, das ist ein Möseldörfchen mit zweieinhalbtausend Enwohnern, hier wird seit über 1000 Jahren Weinbau betrieben. Im Wikipedia-Eintrag des Orts heißt der Tourismus noch „Fremdenverkehr“, damit der Fremde Verkehr nicht das beschauliche Dorfleben stört, hat man den gigantischen Felshang der Terassenmosel dort mit einer Autobahnbrücke verziert. Für den Entomologen hat das den Vorteil, dass man quasi einen Lichtfangplatz mit eigener Autobahnabfahrt hat: Der Rastplatz „Moselblick“ an der A61 liegt direkt an der Hangkante, die Aussicht über das Tal ist gigantisch.
Winningen Blumslay 29. März 2023. Am Oberhang des Moseltals blüht der Französische Ahorn (Foto: Armin Dahl)
Winningen ist zwar ein überschaubar spannendes Dorf, aber ein heißer Streifen für die Tier- und Pflanzenwelt, und deswegen bin ich ja hier! Wenige Meter hinter dem Rastplatz blühen Ende März die Ahornbäume, und nicht irgendwelche, sondern der Französische Ahorn – Acer monspessulanum. Der wissenschaftliche Name verweist auf das Städtchen Montpellier, das auf dem 43 Breitengrad und damit etwa 800 Kilometer entfernt, weit im Süden am Mittelmeer liegt. Der schöne, wärmeliebende Baum hat hier sozusagen das Ende der Fahnenstange erreicht, weiter nördlich als im Raum Koblenz gibt es keine bekannten natürlichen Vorkommen der Art. Aber die Pflanze, die bei Sommerdürre einfach mal die Blätter abwerfen kann, ist ein Gewinner des Klimawandels: A. monspessulanum wird mittlerweile an vielen Stellen als Straßenbaum angepflanzt.
Es dämmert schon, die Leuchtanlage ist in ein paar Minuten aufgebaut, das Notstromaggregat tuckert beruhigend, und dann heißt es warten. Aber nicht allzu lange, denn rasch füllt sich der Leuchtturm mit Faltern, die vom UV-Licht angezogen werden. Kätzcheneulen in Menge, bis auf die wärmeliebende Orthosia miniosa fliegen die alle auch vor meiner Haustüre schon. Ein kleiner Wickler, der wandert erst mal in ein Aufbewahrungsgefäß, bis zum Fototermin. Und dann ist sie plötzlich da, die Königin der Schlehenhecke: Valeria oleagina – Grüne Schmuckeule. Weiter nördlich in Rheinbrohl und im Ahrtal gibt es noch ein paar Nachweise, aber alle liegen schon mehr als 25 Jahre zurück. Auch diese Art sitzt an der Untermosel am „Ende der Fahnenstange“. Oder liegt es nur daran dass Ende März noch keiner der Kollegen zum Lichtfang ausrückt?
Valeria oleagina – Grüne Schmuckeule. Rote Liste Deutschland: stark gefährdet! Winningen, 29. März 2023 (Foto: Armin Dahl)
Jedenfalls hat sich der Abend gelohnt, vor allem weil nicht nur ein Tier von V. oleagina anfliegt, sondern am Ende ein halbes Dutzend beisammen sind. Die Grünen Edelsteine stehen unter Naturschutz und dürfen natürlich zurück in ihre Schlehenhecke.
Phaneta pauperana, Winningen, 29. März 2023. Auch der Graue Rosen-Blattwickler mag es lieber warm.
Nur eine kleine Flachleibmotte, die ihren Namen nicht verraten will, muss ihr Leben für die Wissenschaft lassen und landet in der Sammelbox.
Der kleine Wickler bekommt noch seinen Fototermin und wird als Phaneta pauperana bestimmt, von dem es in meinem englischen Mikro-Bestimmungsbuch heißt: „flies on warm evenings…Habitat: Coastal cliffs…“. Na das passt, um Mitternacht sind es immer noch 14 Grad am Felsen über dem Fluss, beachtliche 26 Großschmetterlingsarten stehen auf der Liste, und der Fotograf macht sich auf den Weg nach Hause.
Eine Blechdose, ein Stück Draht, ein Gazebeutel, ein paar Haare oder Federn, und Geduld. Viel mehr braucht es nicht, um neue Arten im eigenen Garten zu beobachten.
Nisthilfen für Wildbienen sind schnell gemacht. Man braucht ein Stück Holz, ein paar Bohrer unterschiedlicher Stärken, einen Platz zum Aufhängen, und wie von Zauberhand erscheint im Frühjahr und Sommer eine ganze Gilde von Wildbienen und parasitischen Wespen, besiedelt das Holz bzw. seine Bewohner und lässt sich problemlos beobachten. Das ist einfach, klappt auch mitten in der Stadt. Bienen haben eine gute Lobby, und Nistkästen für Vögel sind sowieso doof, man muss sich halt entscheiden ob man im Garten die Insekten (und Raupen!) fördern oder dezimieren will.
Noch deutlich spannender als die Bienen sind die Echten Motten (Tineidae), von denen es in Deutschland ca. 70 verschiedene Arten gibt. Die meisten davon leben als Raupe und Falter gut versteckt. Die Raupen minieren in Pilzen oder morschem Holz, oder leben in Nisthöhlen von den eingetragenen Haaren und Federn („Vogelnestmotte, Taubenmotte“), mit denen die Vögel ihre Nester auspolstern. Auch Eulengewölle werden besiedelt, alte Korken („Weinmotte“) und andere zerfallende Pflanzenreste. Die Falter sind ziemlich klein, gehen nur selten an Licht und Köder, eher schon an verschiedene Pheromonpräparate.
Für diejenigen welche die Artenliste der Tiere aus ihrem Garten noch etwas erweitern wollen, hier mal ein Basteltipp der besonderen Art, den ich in einer Publikation von Erich BETTAG (1995) gefunden habe. Erich Bettag ist Pfälzisches Entomologie-Urgestein und nicht zu verwechseln mit Ernst Bettag, der den Bobby-Car erfunden hat. Hier der Text:
„Gut bewährt hat sich dabei folgende, vom Verfasser seit Jahren ausprobierte Methode: In eine leere, vorher grün gefärbte Konservendose, wird ein getrocknetes Bisamfell locker gerollt an einem starken, festen Draht eingebunden. Der Draht wird dann durch ein kleines Loch im Boden hindurchgeführt. Das ganze wird kopfunter frei an einem Ast aufgehangen, über eine ganze Vegetationsperiode dort belassen und im Winter eingeholt. Das Fell wird von Tineiden und Coleopteren mit Eiern belegt. Im warmen Zimmer lassen sich dann die Tineidenraupen problemlos weiterzüchten. Diese Methode hat sich zum Nachweis mancher Tineidenarten in abgegrenzten Untersuchungsgebieten gut bewährt.„
Wo kriegt man heutzutage ein Bisamfell her? Bevor Ihr jetzt anfangt am alten Pelzmantel der Gemahlin ein paar Streifen abzuschneiden: Das Anlocken der Tineiden geht wahrscheinlich auch mit anderem Material, Schafwolle, Pferdehaare, der Hund sollte auch mal wieder gekämmt werden, und die Ziegenledertasche aus Griechenland liegt auch schon seit Jahrzehnten nutzlos im Keller herum. Daraus kann man sich rasch etwas zusammenbasteln, was für die Echten Motten attraktiv ist.
Die oben erwähnten Coleopteren gehören übrigens zu den unangenehmen Tieren, die man in Insektenkästen und auch auf den Spannbrettern nicht haben will: Speckkäfer und Konsorten zerkrümeln auch heute noch erstaunlich rasch auch größere Sammlungen. Weshalb man regelmäßig mal die Sammelbehälter kontrollieren und das Mottenpapier erneuern sollte.
Ob man seine Motten-Blechdose wirklich grün anstreichen muss, das dürft Ihr selbst entscheiden. Der Behälter mit den ausschlüpfenden Motten kann in einem Gaze-Einkaufsbeutel ins Haus gebracht werden, die Beutel sind an der Obsttheke im Supermarkt für kleines Geld zu haben. Man kann natürlich auch für Mondpreise sogenannte Aerarien im Fachhandel kaufen. Die Behälter sollte man täglich auf geschlüpfte Motten kontrollieren. Und Vorsicht beim Fotografieren, am besten im Innenraum und die Fenster vorher zumachen: Echte Motten sind auch bei tiefen Temperaturen flugfähig und blitzschnell am Start.
Literatur:
BETTAG, E. (1995): Zur Biologie und Verbreitung seltener Tineidae und der Eule Hypenodes turfosalis Wocke, 1850 in Rheinhessen-Pfalz und an der Nahe (Lep., Tineidae et Noctuidae). Melanargia, 7 (4); 89-96 Leverkusen
BETTAG, E. (1996) unter Mitarbeit von K. BASTIAN: Verzeichnis der Klein-Schmetterlinge (Insecta: Lepidoptera) von Rheinhessen-Pfalz. Teil VII: Tineidae (Echte Motten) – Mitt. POLLICHIA, 83: 177-202, Bad Dürkheim
„… und warum Sie nichts sehen, das werden Sie gleich sehen“. Der Spruch stammt vom legendären Fernseh-Quizmaster Hans-Joachim Kuhlenkampff, aus einer fernen Zeit, als am Samstagabend noch alle vor der Glotze saßen und EWG schauten, und das iphone noch nicht mal angedacht war. Medien-Mottenkiste sozusagen, aber der Spruch fiel mir gestern spontan wieder ein, beim Spaziergang am Unterbacher See im Süden Düsseldorfs.
Nemapogon clematella, Fraßspur an Hasel bzw. Hypoxylon spec., Düsseldorf, Unterbacher See 24. Februar 2023 (Foto: Dahl)
Beim ersten hinschauen sah ich nämlich erst mal gar nichts, nur ein paar schwarze Punkte auf einem morschen Haselnussstecken. Also näher ran, und da war sie dann, die Fraßspur der Erlengebüschmotte Nemapogon clematella. Der Kollege mit den Adleraugen hatte sie als erster entdeckt und stieß ein begeistertes „na geht doch!“ aus, übersetzt heißt das so viel wie: Endlich mal wieder eine neue Mottenart auf der Liste! Und eine Art mehr für den Düsseldorfer #Bioblitz.
Eine Echte Motte (Familie Tineidae), aber keine von denen, deren Raupen einem Löcher in die Strickpullover fressen. Nemapogon clematella lebt als Larve unter der Rinde von verpilzten Erlen- und Haselstämmchen, und ernährt sich von Schlauchpilzen der Gattung Hypoxylon. Und zwar lebt sie unter der Rinde, weshalb man erst mal gar nichts sieht, siehe oben. Kot und Holzgenagsel werden aber irgendwie nach draußen geschafft, und das ergibt ganz typische Fraßspuren, aus hellen und dunklen Krümelchen, angeblich unverwechselbar.
Die handelsüblichen Bestimmungs-Apps von observation.org und inaturalist erkennen – Stand Februar 2023 – auf dem Bild erst mal nur die Pilzgattung Hypoxylon, immerhin. Aber das kann sich rasch ändern, wenn Ihr beim Spazierengehen im Spätwinter ein wenig im Gebüsch herumstöbert und nach den Pilzen Ausschau haltet. Und die Spuren mit Fotos meldet, natürlich. Das Tierchen selbst fliegt ab Mai, und wenn man die Spur der Raupe im Frühjahr mit dem Holz eingesammelt hat, kann man sie wahrscheinlich leicht daraus erbrüten.
Vor meiner Haustüre tut sich erstaunliches: Nachdem der lokal tätige Naturschutz jahrzehntelang gepredigt hat, dass die Hildener Heidemoore in miserablem Zustand seien, werden die kleinen NSGs im Hildener Stadtwald endlich renaturiert und besser vernetzt.
Moorrenaturierung im Hildener Stadtwald. Foto: Biol. Station Haus Bürgel / Moritz Schulze
Zur Erinnerung: Bereits in der Schutzgebietsausweisung im Jahr 1992 wurde auf den schlechten Zustand der Moore hingewiesen. Als Maßnahmen wurden seinerzeit z.B. für das kleine Moor am Taubenberg festgelegt: „Freihalten der Heidemoorbereiche, Abplaggen von Teilbereichen, Durchforstung der Stieleichenkultur, …Schließen der Entwässerungsgräben, Birken und Eichen an den Wegrändern erhalten (Sichtschutz)“.
Das ausführliche Gutachten mit Datenerhebungen aus den 80er Jahren lag seit 30 Jahren mehr oder weniger unbeachtet in den Schränken der Unteren Naturschutzbehörde Kreis Mettmann und des Grünflächenamtes in Hilden. Die AGNU Haan führte mit der Biostation und Hildener Naturschutzverbänden einige kleinere Pflegeeinsätze durch, es wurden zeitweilig „Ranger“ eingesetzt um den Besucherdruck zu kanalisieren, der Sandberg teilweise eingezäunt und eine ausserhalb gelegene „Hundewiese“ eingerichtet. Der Zustand des kleinteilig zugeschnittenen Naturschutzgebiets verschlechterte sich jedoch zunehmend, vor allem durch die zunehmende Verwaldung der winzigen Moore. Und auch die Ausweisung als Natura 2000-Gebiet (FFH-Gebiet) mit hohem Schutzstatus beförderte die Sache nicht. In anderen Städten der Region lief es nicht viel besser, zum Beispiel im 70 Hektar großen NSG Further Moor in Langenfeld, das seit langem von Austrocknung bedroht ist.
Wie man es besser hätte machen können? Als positives Beispiel in der Region kann das NSG Ohligser Heide direkt südlich von Hilden gelten, hier wurden schon seit langem entsprechende Maßnahmen umgesetzt: Großflächige Freistellungen, Reduzierung des Wegenetzes, Abplaggen des Oberbodens, extensive Schafbeweidung auf großer Fläche. In der Folge sind dort auch seltene Schmetterlingsarten wie der Sumpfwiesen-Perlmuttfalter – Boloria selene wieder aufgetaucht, die jahrzehntelang verschollen waren. Bemerkenswert auch der Unterschied bei den Nachtfaltern, in der Ohligser Heide ist zum Beispiel das Kleine Nachtpfauenauge – Saturnia pavonia ein Massentier, wie man auf unserem Mottenkanal nachschauen kann.
Aber jetzt! Moorschutz und Wasserrückhaltung sind wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, im Kampf gegen die Klimakrise will die Bundesregierung den Schutz und die Wiederherstellung von Moorgebieten vorantreiben. Offene Heide Liefert bekanntlich den höchsten Eintrag von Niederschlag ins Grundwasser – und nicht etwa der Wald, wie viele glauben. Zudem heißt der Umweltminister in NRW heute Oliver Krischer, ist Naturschutzfachmann und bekennender Ornithologe, der auch schon die Bergische Heideterrasse in Solingen-Ohligs besucht hat. Geld für entsprechende Maßnahmen ist schon länger da, der politische Wille momentan auch!
Die Bagger und Traktoren rollen jetzt auch in der „Hildener Heide“, der nährstoffhaltige Oberboden wird abgefahren, Gräben verschlossen und ehemalige Moorflächen entwaldet. Das Oberflächenwasser soll zukünfig besser in den Gebieten gehalten werden, mit positiven Nebeneffekten für Glockenheide, Moorlilie und andere Sumpfbärlapp. Boloria selene sehe ich da noch nicht wieder, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Zu verdanken haben wir das vor allem dem unermüdlichen Einsatz von Moritz Schulze (Biostation Haus Bürgel), der sich auch von hartnäckigem Widerstand nicht aus der Spur bringen ließ.
Landschaftsplan Kreis Mettmann – Biotopmanagementplan. Naturschutzgebiet Hildener Heide und Spörkelnbruch. Erläuterungsbericht VI 1992. 219 S., (ULB Mettman)
Woizilinski, D. (1987): Untersuchung der Groß- und Kleinschmetterlingsfauna in den Naturschutzgebieten Spörkelnbruch, Hildener Heide/Hildener Stadtwald. Unveröff. Manuskript im Auftrag des Kreises Mettmann., ca. 100 Seiten. (ULB Mettmann)
Gottesanbeterin – Mantis religiosa , Mosel bei Wolf, 4. August 2022 (Foto: Dahl)
Der Sommer 2022 hat es in sich, wochenlange Trockenheit, hohe Temperaturen, alles was uns die Meteorologen schon lange voraussagen. Die einheimische Fauna wird zunehmend angereichert mit Arten, die man eigentlich gar nicht auf der Liste hat.
Ein Beispiel ist die Gottesanbeterin Mantis religiosa, die sich offenbar in Nordrhein-Westfalen etabliert. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass entlang des Rheins abwärts bis nach Kleve und sogar im Perlenbachtal in der Eifel in den vergangenen Tagen Tiere aufgefunden wurden.
In der Pfalz, an der Mosel und weiter südlich an der Nahe ist die Gottesanbeterin ja schon länger zu bestaunen. Wie eine ganze Reihe von Arten aus der Geradflügler-Verwandtschaft (Ordnung Orthoptera) macht Mantis religiosa seit ein paar Jahren riesige Sprünge in der Ausbreitung nach Norden, ist jetzt auf der Linie Amsterdam-Berlin angekommen. Dank observation.org haben wir jetzt eine Möglichkeit das quasi live zu verfolgen.
Weinhähnchen – Oecanthus pellucens, Mosel bei Wolf, 3. August 2022 (Foto: Dahl)
Ähnlich gelagert, ist die Besiedelung mit dem Weinhähnchen (Oecanthus pellucens), allerdings ist die Art hier vor meiner Haustüre im Niederbergischen anscheinend bereits fest etabliert. Im dritten Jahr in Folge singen die männlichen Weinhähnchen abends und nachts auf Brachflächen im Umfeld eines Industriegebiets hier in Haan, auch in den Wuppertaler Steinbrüchen (z.B. Oetelshofen) sind sie bereits angekommen. Wer das noch nie erlebt hat, der kann mal hier reinhören. So klingt der Klimawandel!
Was die Verbreitung angeht, so ist das Weinhähnchen in Deutschland jetzt auf der Höhe von Bremen angekommen, und breitet sich auch in die höheren und kühleren Lagen aus. In den Niederlanden sind Funde an der Küste bei Harlingen (Provinz Friesland) bekannt, auch in Deutschland wird das Weinhähnchen bald zur normalen Ausstattung der Feriengebiete an der Nordsee gehören.
Euplagia quadripunctaria – Verbreitung Stand 8/2022. Quelle: Observation.org, Stichting Observation International und lokale Partner.
An die Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria haben wir uns mittlerweile fast schon gewöhnt, das sehr auffällige Tier breitet sich anscheinen unaufhaltsam nach Norden aus. Bei der Erkennung von quadripunctaria und etlichen anderen Nachtfalterarten gibt es übrigens eine wichtige Neuerung bei observation und den zugehörigen apps: Die Künstliche Intelligenz ist mittlerweile so weit trainiert dass quadripunctaria und einige andere an bereits besiedelten Fundorten automatisch freigegeben werden. Das spart den Validatoren eine Menge Arbeit: Alleine in 2022 sind in observation knapp 1900 Fotos der Art hochgeladen worden.
Tag- und nachtaktiv: Die Spanische Flagge Euplagia quadripunctaria. (Foto: Dahl)Weinhähnchen, Wuppertal, 21. August 2022. In den Steinbruchen am Rand des Bergischen Landes singen die Männchen Nachts zu Hunderten.
Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte, deshalb fasse ich mich kurz: Vor einer Woche noch war das eine trockene, herrlich blühende Wiese, für eine Menge Steuergeld angelegt von der Landeshauptstadt, die sich mit Klimamonitoring, Artenvielfalt und einem vorderen Platz beim BioBlitz 2022 brüstet. Ein riesiges Meer von Echtem Labkraut, massig buntes Blütenangebot und darin jede Menge Fluginsekten.
Und jetzt das: Die ganze blühende Oase namens Maurice-Ravel-Park im schicken Stadtteil Pempelfort, auf einen Schlag heruntergef…. bis auf die Strünke. Wer oder was auch immer hier lebte, das befindet sich jetzt in der Kompostieranlage und wurde zur Sicherheit vorher kleingehäckselt.
Es dauert wohl noch eine Weile bis die Teilflächen- oder Streifenmahd, bis das stehenlassen von Altgras- und Refugialstreifen und das restliche kleine Einmaleins des Artenschutzes in den Köpfen der Düsseldorfer Stadtgärtner angekommen sind. So jedenfalls macht man es NICHT.
Vielleicht liegt´s ja am Namen des Parks. Maurice Ravel war als Komponist ziemlich meinungsstark, einige Wutausbrüch sind überliefert, Experimente mit seinen eigenen Werken konnte er überhaupt nicht ab. Als Arturo Toscanini einmal seinen berühmten Bolero aufführte, schrie Ravel im Saal herum: „Ich bin der Komponist!“ und beschimpfte den Dirigenten: „Das Schwein hat zu schnell gespielt, das ist unverzeihlich! Das ist unglaublich! Das Stück ist ruiniert!“.
So etwas ähnliches kam mir heute in den Sinn, als ich auf der Zoobrücke stand und das Desaster ansehen musste. Ich bin zwar nicht der Parkplaner, könnte aber schreien vor Wut und Enttäuschung. Aufräumen und Pflege sind zwei verschiedene Dinge – Gut gemeint ist halt nicht gut gemacht.
Seit ein paar Jahren, genauer gesagt seit 2015, gibt es nach über 60 Jahren der Abwesentheit in NRW, wieder Funde des Weißen Ordensbandes, Catephia alchymista, in unserem Bundesland, http://nrw.schmetterlinge-bw.de/MapServerClient/Map.aspx. Jahrzehnte galt die Art als in NRW ausgestorben nachdem 1952 der zuvor letzte Falter hier gefunden werden konnte, siehe Rote Liste NRW 2010.
Heute morgen dann war ich sehr erfreut, als ich einen schon etwas abgeflogenen Falter dieser Art bei mir in der Lichtfalle auf dem Balkon in der Innenstadt von Wuppertal-Barmen finden durfte. Ein weiterer Hinweis auf die sich verändernden klimatischen Bedingungen, die schon zahlreichen Arten eine Verschiebung ihrer Arealgrenzen nach Norden hin ermöglichten.
Hier haben sich ein paar Anfragen angesammelt, mit welchen Methoden man am besten Glasflügler fängt, oder wie Anflugkäfige für selbst gezüchtete Mottenweibchen aussehen müssen. Keine Bauanleitung, eher was für Kinder!
Professionelle Fallen kosten im Handel knapp unter 10 Euro, wenn man se z.B. bei der Pherobank in den Niederlanden bestellt. Im Baumarkt oder bei Firmen wie Plantura nehmen sie Euch für eine Buchsbaumzünslerfalle gerne auch mal 25,- Euro ab. Für einen einzige Falle wohlgemerkt, was gelinde gesagt Nepp für ein bisschen Plastik ist. Mal ganz abgesehen davon, dass männliche Buchsbaumzünsler zu fangen ein herrlich unsinniger Quatsch ist, nur gut zum Erkennen eines Befalls. Zur Bekämpfung der Zünsler taugt das Wegfangen der Männchen bekanntlich nichts. Die Weibchen werden natürlich trotzdem befruchtet und legen ihre Eier ab, ob da eine Falle hängt oder nicht.
Damit Ihr nicht unnötig Geld ausgebt, hier mal ein Bild von einer vollständig ausreichenden Falle, mit vespiformis-Glasflüglern, gefangen vor etlichen Jahren im Burgholz in Wuppertal. Eine Bauanleitung braucht man dafür nicht, macht dafür nur ein paar Kinder froh, oder Erwachsene ebenso.
Zwei alte Klopapierrollen, ein Stück Draht, fertig ist der Apparat. Die Haribo-Schmetterlinge werden leider nicht mehr produziert. 28. Juni 2013. Foto: Armin Radtke
Ein weiteres Pandemie-Jahr liegt hinter uns. Auch wenn wir nicht alle Pläne umsetzen konnten, waren immerhin einige schöne Exkursionen möglich, wir konnten einen Artikel in einer internationalen Zeitschrift veröffentlichen und einen YouTube-Kanal starten. Faszinierende Einblicke in das Innere von sich entwickelnden Puppen (Titelbild) erhielten wir aus einer Kooperation mit der Uni Düsseldorf. Alles in allem ein gutes Schmetterlingsjahr, in dem wir uns auch erfolgreich für den Erhalt der Lebensräume unserer geflügelten Freunde einsetzen konnten.
Was lässt sich sonst noch über das vergangene Jahr 2021 sagen? Im Grunde nicht viel mehr als über das Jahr 2020 – viele Veranstaltungen sind der Pandemie zum Opfer gefallen. Im Sommer waren immerhin einige Exkursionen und Vorträge in Präsenz möglich. In weiser Voraussicht wurden Tagungen – wie der Westdeutsche Entomologentag – im Herbst direkt als Online-Veranstaltung geplant. So nützlich das auch ist, der direkte Austausch unter Insektenfreunden bleibt dennoch auf der Strecke. Hoffen wir, dass sich die Situation im nächsten Jahr bessert. Nun aber zu den den schönen Dingen des Lebens: den Schmetterlingen.
Was ist im vergangenen Jahr gelaufen?
Im Februar kam nach einem langen, aber durchaus fruchtbaren Review-Prozess endlich unser Artikel über 160 Jahre Schmetterlingsbeobachtungen in Wuppertal heraus. Obwohl wir alle Hebel in Bewegung setzten, wurde damit jedoch keine öffentliche Wirkung erzielt, auch eine Aufbereitung der Grafiken und konkrete Ansprache verschiedener Medien halfen nicht weiter. Auf schlechte Nachtrichten aus dem Insektenreich hat wahrscheinlich keiner mehr Lust. Immerhin haben wir nun alle uns zur Verfügung stehenden Informationen auch international präsentiert – und das zumindest ist ein bleibender Erfolg!
Mitte Mai hatten wir eine schöne Exkursion an die Mosel zum Orion-Bläuling.
Ende Mai haben wir ein Ferienhaus in der Nähe des Radioteleskops „Astropeiler“ am Stockert in der Eifel gemietet und konnten in kleiner Runde zahlreiche seltene Tag- und Nachtfalterbeobachten.
Im Juni haben wir unser YouTube-Projekt „mothhunters“ gestartet. Einige Beiträge sind schon online, weitere in Planung.
Nach dem 14. Juli, dem Beginn der Hochwasserkatastrophe, waren weitere Touren in die Eifel und an die Mosel zunächst nicht mehr denkbar. Im September konnte ich die Bahnstrecke in Nettersheim besichtigen, die eher einer Achterbahn glich (Bilder unten). Die Auswirkungen auf die Schmetterlinge sind noch unklar. Hoffentlich bleiben sie gering. Jedenfalls wurden die Wiesen rund um die Urft und auch im Lampertstal zwar stark überschwemmt, aber augenscheinlich nur wenig in Mitleidenschaft gezogen. Stark betroffene, teilweise abgetragene und verwüstete Stellen waren vor allem im Bereich von Verengungen, Brücken und Bebauungen zu finden.
Ein Kurztrip in den Harz bei Quedlinburg (den Ort kann man nur wärmstens empfehlen!) hat Lust auf mehr gemacht. Sicher ist dies ein lohnendes Ziel für Frühling und Sommer.
Die neue Rote Liste der Schmetterlinge in NRW ist erschienen. An die schlechten Nachrichten daraus haben wir uns ja leider schon gewöhnt. Auch hier muss man sagen: will keiner mehr hören.
Im Herbst konnten wir unser Projekt mit der Uni-Düsseldorf, nämlich die Beobachtung der Metamorphose der Puppen des Nachtpfauenauges zum Schmetterling mittels Kernspinresonanztomographie, zu Ende bringen (Beispiel: Titelbild, ein entwickeltes Weibchen in der Puppenhülle, gefüllt mit Eiern). Ein entsprechender Artikel ist bereits eingereicht und hat die erste Review-Runde gut überstanden.
Der Kaisermantel wurde auf unsere Initiative hin zum Schmetterling des Jahres 2022 gewählt und soll zu einer nachhaltigeren Waldwirtschaft ermahnen.
Zum Abschluss, wie jedes Jahr, einige farbenfrohe Bilder zur Aufheiterung (Beschreibung: bitte Bilder anklicken!). Nächstes Jahr wird bestimmt alles (noch) besser!😉
Euch allen einen guten Übergang ins Jahr 2022, alles Gute, Glück und Gesundheit!
Die von Observation International betriebene Beobachtungsplattform observation.org hat einige von uns in den vergangene Monaten stark beschäftigt. Die Möglichkeiten der Dateneingabe über verschiedene Apps wurde getestet, Tausende von Fotos wurden eingestellt und nach Möglichkeit validiert, neue Gebiete angelegt usw. Die Möglichkeiten, seine eigenen Beobachtungen mit denen der Kollegen in „Realtime“ zu vergleichen sind super, die Qualitätssicherung wurde optimiert. Und wo das nicht genug war, kam noch der eine oder andere Whatsapp-Chat zum Einsatz, mit Hunderten von Einträgen, oder die Youtube-Videos aus dem mothhunters Channel. Im Rausch der Artenvielfalt ging das Jahr mal wieder viel zu flott herum, auch die Corona-Epidemie hat uns dabei nicht wirklich behindert, der Digitalisierung sei Dank!
Nach der Umstellung auf ein neues Design, etlichen Erweiterungen u.a. bei der Bestimmung mittels Künstlicher Intelligenz, stehen jetzt bei observation.org auch völlig neue Anwendungen zur Verfügung. Eine davon ist der sogenannte „Bioblitz“, ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Regionen.
Münster, wo das LWL-Museum das Bioblitzen mit großem Aufwand fördert, führt bei der Zahl von Beobachteten Arten und Beobachtungen. Die meisten Beobachter hat jedoch der Kreis Kleve: Hier sind die an observation.org bzw. waarneming.nl gewöhnten Holländer am Wochenende unterwegs, und geben reichlich Daten ein. Aber auch Aachen, der Kreis Euskirchen, Bochum, Duisburg und der Ennepe-Ruhr-Kreis liegen vorne mit dabei. Das macht schon richtig Spass, wir wissen ja wer dort aktiv war! Und auch an der Mosel im Kreis Bernkastel-Wittlich tut sich viel, dort sind ein paar Junge Wilde unterwegs, gute FotografInnen und reichlich holländische Touristen.
Bisher wusste ja eigentlich keiner von dieser Sache, 2022 soll dann das Projekt Bioblitz richtig angeschoben werden. Mein Ziel: 1500 Arten im Kreis Mettmann und 200 Beobachter. (2021 bisher 1208Arten, 84 Beobachter).
Nach wochenlangem Regen und anhaltender Kälte mit einer Anmutung von November hatten wir am vergangenen Wochenende Glück: bei sonnigem Wetter führte uns die diesjährige Wochenendexkursion in das Eschweiler Tal bei Bad Münstereifel. Wir hatten auf blauen Dunst ein Ferienhaus gemietet, ohne zu ahnen, das sich dieses im Epizentrum der Artenvielfalt befand und über ein großes Grundstück mit Wald und einer Lichtung mit Orchideen und Schlüsselblumen verfügte. So konnten wir nachts bei Kaltgetränken direkt am Haus nach Nachtfaltern leuchten und tagsüber die fußläufig erreichbaren Kalkmagerrasen und Feuchtwiesen erkunden. Einziger Wermutstropfen: bei klarem Himmel sank die Temperatur nachts rasch auf unter zehn Grad, so dass die Ausbeute an Nachtfaltern nicht so üppig wie erhofft ausfiel. Dafür entschädigten aber die Sichtungen von seltenen Tagaltern wie dem Wegerich-Scheckenfalter und dem Schlüsselblumen-Würfelfalter. Außerdem entdeckten wir den tagaktiven Ginster-Fleckenzünsler (Eurrhypis pollinalis), den wir noch nie bewusst gesehen hatten. Erstaunlich auch, wie unterschiedlich Fauna und Flora auf nahe zusammenliegenden Biotopen, selbst bei ähnlicher Lage und Geologie, ausfallen können. Hier sieht man wieder einmal, dass Schmetterlinge auf viele Umweltfaktoren sensibel reagieren und sich die für sie ideale Nische aussuchen.
Auf dem Orchideen-Hotspot Kuttenberg begegnete uns noch eine weitere Spezies in sehr großer Zahl: Orchideenfreunde lagen mit Fotostudio-Equipment und Beleuchtungsassistent*innen im Hang, um die seltenen Mutanten und Hybriden (der Orchideen) abzulichten. Dies hat für spätere Besucher einen Vorteil: die platt gelegenen Stellen deuten auf die Präsenz einer Rarität hin. Offenbar hat diese Praxis den Pflanzen bisher nicht geschadet. Am letzten Tag konnten wir dann noch eine besondere Mission erfüllen: die Suche nach dem Blauschillernden Feuerfalter Lycaena helle im Lewertbachtal im Auftrag der Biostation Euskirchen. Immerhin konnten wir zwei Tiere finden und so unseren Beitrag zur LIFE helle Eifeltäler Synchronzählung beitragen. Kurz gesagt: Mission erfüllt! …und hier noch die Fotoausbeute (für die Beschreibung bitte anklicken).
Mann oh Mann, nicht nur der Lockdown ist eine harte Prüfung, sondern auch das Wetter. Dieses Jahr hatte ich noch nicht ein vernünftiges Foto von seltenen Schmetterlingen schießen können. Immer nur Kälte und Regen, auch nachts am Licht nicht viel los. Doch schon Anfang letzter Woche zeichnete sich ein ganz, ganz kleines „Zwischenhoch“ für Donnerstag ab. Dieses kurze Sonnenfenster konnten Daniel Müller und ich nutzen, um dem Orion-Bläuling (Fetthennen-Bläuling, Scolitantides orion) an der Mosel einen Besuch abzustatten. Ich selbst hatte den Falter tatsächlich noch nie gesehen und so war ich dankbar, dass mich Daniel als ortskundiger Schmetterlingsexperte in den Steilhängen der Mosel an die richtigen Stellen führte. Was soll man sagen: die Mission war ein voller Erfolg! Und: der Fetthennen-Bläuling war nicht die einzige Rarität, die es zu sehen gab. Hier muss man einfach mal sagen: so geht gelungener Naturschutz! Das ist wirklich vorbildlich. Es wäre natürlich ein Traum, wenn sich so eine Einstellung zur Natur auf das ganze Moseltal ausdehnen würde. Ich sage nur: Mosel-Apollofalter! Das Kontrastprogramm dazu gab es leider auch, aber nicht auf den relevanten Flächen… Fotos: siehe unten (Fotos anklicken für die Bildbeschreibung).
Die Vegetation hat seit Anfang März 2021 eine Atempause eingelegt, ein stabiles Hochdruckgebiet mit Kaltlufteinbruch, Ostwind mit Nachtfrost, ein paar Kornelkirschen und Salweiden blühen, und an warmen Stellen wagen sich einzelne Blüten von Kirschpflaumen und Schlehen heraus. Kätzcheneulen fliegen noch spärlich, Lichtfänge mit Mütze und Handschuhen machen keinen rechten Spass. Hier mal eine einfache Übung für die Zeit, bis es draußen so richtig losgeht mit den Nachtfaltern.
In den Blütenköpfen der Karde (Dipsacus fullonum) leben bei uns zwei Wickler-Arten, die relativ leicht zu finden sind: Endothenia gentianeana und E. marginana. Die Falter lassen sich im Feld nicht unterscheiden, bei den Raupen ist das sehr viel einfacher, und der Vorfrühling ist für die Suche eine gute Zeit.
Karden wachsen auf Schuttplätzen und in Ruderalfluren, wer sich die Pflanze in den Garten holt, bekommt einen fantastischen Insektenmagneten, der Bienen, Wespen und Schmetterlinge magisch anzieht. Als Kinder haben wir seinerzeit die trockenen Blütenköpfe gesammelt und mit Goldlack angesprüht, als Weihnachtsdekoration. Heute steht da allerdings eher das entomologische Interesse im Vordergrund.
Hat man sich einmal überwunden die pieksigen trockenen Blütenstände der Karde auseinanderzunehmen, sieht man sofort, ob der Blütenkopf bewohnt oder nicht. Der normalerweise hohle Blütenboden ist dann voller Kotkrümel, die Raupe meist direkt zu erkennen, oder sie sitzt im angrenzenden obersten Stengelabschnitt. Rosafarbene Raupen mit schwarzer Afterplatte sollten zu Endothenia marginana gehören, eher weißliche Raupen ohne Afterplatte zu Endothenia gentianeana.
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Die Raupen von Endothenia gentianaeana leben nach Literaturangaben übrigens nicht nur in der Karde, sondern auch in Enzian und Wegerich. Am einfachsten zu finden sind sie jedoch in den alten Kardenblüten im zeitigen Frühjahr. Auf Neudeutsch ist das eine relativ leichte Challenge.
In der Lichtfalle auf dem Balkon stellte sich am vergangenen Samstag vorerst zum letzten Mal Besuch aus der Falterwelt ein. Neben Überwinterern waren, wie schon in den Tagen zuvor, die Vorfrühlingsarten A. marginaria und A. leucophaearia zu finden. Dann kam Samstag Abend der Eisregen und anschließend der Schnee. Seitdem herrschen hier konstant Minustemperaturen, Falter Fehlanzeige.
Aber trotzdem kann man ja auch bei diesem Winterwetter Schmetterlinge nachweisen. Ein Spaziergang im nächsten Laubwald kann da helfen Verbreitungsnachweise zu erbringen. Hier mal ein paar Beispiele von heute Nachmittag im Kothener Wald in Wuppertal-Barmen, zu sehen ist ein Altnest vom Eichenprozessionsspinner und viele Dutzend Altminen von Zimmermannia liebwerdella an Buche.
Eine dreistellige Anzahl von Zimmermannia liebwerdella Altminen an Buche Wuppertal-Barmen, Kothener Wald, 10.II.2021, Foto: Armin RadtkeVorjähriges Nest von Thaumetopoea processionea (Eichen-Prozessionsspinner), Wuppertal-Barmen, Kothener Wald, 10.II.2021, Foto: Armin Radtke
Es lohnt sich also auch bei richtigem Winterwetter an die Falter zu denken – finden kann man immer was!
Endlich mal wieder Winter! Der Blick aus dem Arbeitszimmer geht über verschneite Schafweiden, die Köder im Garten sind eingefroren, das Auto mit kaputter Heizung in der Werkstatt. Nach einer saukalten Nacht mit zweistelligen Minustemperaturen (-12°C in meinem Garten in Haan) kann ich mich für den Rest der Woche endlich mal mit dem Schmökern bzw. Surfen beschäftigen.
Die Kollegen aus den Niederlanden haben im vergangenen Jahr 2020 mal wieder die Latte für faunistische Beteiligung hochgelegt : 450.000 Nachtfaltermeldungen (nur Makros!) von 697 verschiedenen Arten gab es im Nachbarland. Die Vlinderstichting hat das alles in einem kurzen Bericht zusammengestellt, den man hier anschauen kann. Zum Vergleich: Im Arbeitsgebiet der Rheinisch-Westfälischen Lepidopterologen kamen im Jahr 2020 bisher gut 40.000 gemeldete Einzelbeobachtungen zusammen (inklusive Mikros), und die meisten Daten sind bereits importiert. Die Niederlande haben dabei etwas weniger Einwohner als Nordrhein-Westfalen (17,2 / 17,9 Millionen), und zum Arbeitsgebiet gehören noch der Norden von Rheinland-Pfalz und Teile von Hessen, Niedersachsen und der Norden des Saarlandes.
Fünf neue Arten Makros gab es in NL zu vermelden, einer davon, der Schneeball-Glasflügler, geht immerhin auf das Konto von Heidelandschafts-Urgestein Armin Radtke. Aber auch eine Reihe weiterer Raritäten wurde vermerkt, so zum Beispiel der vierte Nachweis von Polyphaenis sericata aus Limburg. Unfassbar wenn man das bisher bekannte Verbreitungsgebiet anschaut, ich selbst kenne sericata nur von einer Exkursion ins Loreleygebiet. Zu P. sericata gibt es übrigens auch aus Deutschland Nachweise von 2020 aus Frechen, in Niedersachsen ist die Art 2019 sogar bis in den Raum Hannover vorgestoßen. Bleibt abzuwarten ob die Vorkommen die aktuellen Frostperioden unbeschadet überstehen.
Zurück zu den Niederlanden: Wer kein holländisch lesen kann, sollte sich den oben erwähnten Text kopieren und bei Google translate einfügen. Hier mal ein von Google übersetzter Abschnitt der mir besonders gefallen hat:
„Im Herbst wurden drei neue Motten für die Niederlande beobachtet, das kleine gelbe Waisenkind (Catocala nymphagoga), die südliche Eicheneule (Dryobota labecula) und der anmutige Haarwald (Ochropleura leucogaster).“